Dean Blunt nutzt eine Konzertsituation, um sich in der Welt der vorhersehbaren Popkultur anders zu positionieren. Ist er ein Sänger? Muss man dem Publikum seine Songs so darbieten, dass sie glauben, sie hätten einer Reproduktion des ihnen vielleicht geläufigen Albums beigewohnt?
Die Nebelmaschine wirft schon bei Einlass ungute Luft in die K2 oder wird schon gekifft? Sakrale Musik begleitet einen auf die Theaterbestuhlung. Es ist angerichtet.
Schon Support-Act John T. Gast ist nicht zu erkennen, so dunkel ist es auf der Bühne und im Raum. Mit einer kleinen Grubenlampe am Schädel haut er in die selbe Bluntsche Kerbe. Es gibt dekonstruierte Musik, die sich mit Drum-Patterns, wabernden Bässen, Samples und Fieldrecordings auseinandersetzt. Sogar eine deutsche Übersetzung eines Interviews über Gangkultur wird dazwischengeschoben. Wer tanzen oder träumen will, ist im falschen Saal. John T. Gast ist bemüht, die Tracks rund laufen zu lassen, obwohl er immer wieder an den Beats dreht und sie eckig sein wollen oder er etwas abrupt ausstellt. Man sieht ihn nicht, man sieht nur seine Hände, eine Wasserflasche, die ins Nichts geführt wird und das Glitzern eines Blasinstrumentes, welches auch später bei Dean Blunt zum Einsatz kommen soll. Leise murmeln Leute das Wort Jazz.
Bei Blunt ist die Bühne nicht ganz mit schwarzem Stoff abgehangen. Trotzdem ist es auch hier stockdunkel. Blunt braucht Platz für seine Läufe, für seinen Security-Mann, für vielleicht, hey es ist so dunkel, John T. Gast an der Trompete und für Joanne Robertson an der Gitarre. Sie ist es auch, die das Dunkel und den ultralangen Fieldrecording-Sommerregen am Anfang mit einer kurzen Textzeile unterbricht, bevor die Bombast-Playbacks knallen. Ein Lichtkegel zeigt uns Dean im Winter-Blouson mit ins Gesicht gezogenem Nike-Cap. Er verlässt die Lichtquelle immer wieder. Mal kommt er von rechts zurück, mal von links. Es ist so dunkel. Ich denke über Dub nach.
Hinter ihm verweilt ein Mann im Anzug, der wie ein Schutzpatron, wie ein Fels in der Brandung wirkt. Natürlich macht er nichts. Er steht nur da. Blunt murmelt Miniaturen aus Blues und Hip-Hop. Große Streicher scheppern. Es knackt, es gibt den Anrufbeantworter, Hundegebell, No-Fi und Kleinode, die an die Kraft eines Popsongs erinnern. Blunt macht: Yeah.
Die Performance nähert sich der Schockstarre. Aus dem Nichts knallt einem ein Stroboskop-Gewitter ins Gesicht. Minutenlang. Ohrenbetäubende Klänge schieben sich in Höhen. Was macht der Bass da? Ich bin blind. Ich kann meine Augen nicht mehr öffnen. Es knackt laut, ein Ton wird quietschend in ungeahnte Sphären geschoben. Hundepfeife? Dann ist es wieder dunkel. Blunt, der zwischenzeitlich seine Jacke ausgezogen hatte, steht zum Abschied wieder gänzlich angezogen da. Wake up! Wake up! Blackpower-Faust und der Lichtkegel ist weg. Wohl auch Blunt. Joanne Robertson darf am Ende auch mal im Licht stehen. Sie hat also zwischenzeitlich gesungen. Aha. Joanne gniedelt irgendetwas runter, dann gibt es ein halbes Lied auf der Gitarre, das sie mit ihrer schönen Stimme untermalt. Sie zieht das Kabel. Das Licht geht aus.
Soll man klatschen? Dean Blunt ist ein Popphänomen. Er ist nicht zu greifen. Ein toller Abend lässt das Hamburger Publikum rätselnd zurück. Wer hier nach Zugaben ruft, hat nichts verstanden. Knaller Performance.
jg Dean Blunt Live Hamburg, Kampnagel 24.11.2013 http://t.co/AoP3RZmzd6
Gestern Abend in Hamburg. http://t.co/T66VCvnquJ