Der nonchalante Gesang von Paul Pötsch klingt noch in deinen Ohren nach, obwohl die Nacht schon rum ist und dem Saboteur längst sein Handwerk gelegt wurde. Wenn du deine Augen schließt, ist Hamburg wieder cool und wie einst Deutschlands Musikstandort Nummer Eins. Die Szene rüstet auf, Punk ist tot. Man will wieder Pop sein.
Pötsch klingt wie der Jungbrunnen eines alten Bekannten, wie Schorsch Kamerun zu Motion-Zeiten. Immer leicht aufgekratzt. Die Songs vermitteln einem das Gefühl, dass alles gerade passiert, dass man dabei ist, wenn die Barrikaden abgerissen werden. Das Bier schmeckt auch aus der Dose und im Jutebeutel ist der Adorno zwar leicht verknickt, aber immer noch lesenswert.
Trümmer spielen zu diesem Gefühl energetischen Rock, der schwitzen, flattern und aufbrausen will. Es gibt das Laut und Leise, den Refrain, den Verzerrer. Man rüttelt nicht an den Strukturen und dennoch funktionieren die Songs. Sie strahlen Kraft und Verletzlichkeit gleichzeitig aus. Trümmer riechen nach Club morgens um sechs, nach Verheißung und Understatement. Man will cool, sexy und Popstar sein, aber bitte mit Gehirn. Alles gespickt mit Attitüde und Jugendlichkeit.
Die Doppel-A-Seiten-Single verbindet Aufbruchstimmung mit Historie. Die anderen, die mal das Feld beackerten, sind erwachsen geworden. Wir sind noch frisch, wir haben noch Lust und wir sind irgendwie gegen irgendetwas und für eine Revolution, die zwar auch nur heiße Luft in die Schanze bläst, aber mit Liebe vorgetragen wird. Trümmer halten Momente fest. Ob die für immer bleiben, wird der nächste Sommer zeigen. Wie lange kann ich die Jeansjacke noch tragen? Wann verschlingt mich das Business? Wann muss ich zu Inas Nacht? Trümmer klingen nach Hamburg. Dieser Fakt kann einen müde werden oder jauchzen lassen. Bin auf die Lange gespannt.
jg Trümmer – In All Diesen Nächten / Der Saboteur http://t.co/zBOpVU2vqB
Ach, wenn man sich den Text anhört, ist das doch kreuzbiederer Dünnschiss. Für ein paar Stunden gestattet man dem Saboteur, von einem Besitz zu ergreifen. Na, was ein Unterschied zum durchschnittlichen Kieztouristen. Und dazu Punkrock mit Stoner-Einschlag, dazu den Distelmeyer vollends unverdaut wieder ausgespien. Ist doch eigentlich Silbermond für Punker.
Und dann noch sowas Elitäres wie Dosenbier dazu?! Bier aus Dosen mag durchaus Vorteile haben, zum Beispiel mit Hinblick auf die Kühlung. Aber billiger ist Dosenbier seit Pfandeinführung nicht mehr. Deswegen kauft man Von Raven doch auch in Flaschen!
Du liegst nicht ganz falsch. Nur Punk ist das nicht. Es ist Pop. Nett und ungefährlich.
Ich könnte mir tatsächlich eine Pop-Definition vorstellen, unter die auch Trümmer fallen. Das wäre zwar nicht meine, aber fair enough. Was mich stört, ist wohl tatsächlich der Gestus des Rebellischen, mit dem dann letztlich Banales vorgetragen wird. Man bedient sich ungelenk eines sprachlichen Genres, das einst politische/ästhetische Avantgarde verhieß, um davon zu erzählen, was jeder kennt. Gymnasium, 11. Klasse, Aufgabenstellung: Schreibe einen Schlagertext in deiner Alltagssprache. Und da haben Trümmer bestimmt eine Eins für bekommen.
Insofern: Pop, ja. Trümmer gehören zu Rock am Ring und würden dort auch gar nicht die schlechteste Figur machen. Das wäre ein Popbegriff analog dazu, die Grünen links zu verorten und die CDU nicht rechts, sondern in der Mitte. Kann man machen. Würde ich nicht tun. Aber ich bin auch ein alter, vergrämter Bert.
Ich finde es super, dass die jungen Männer so selbstverliebt posieren. Ich finde es auch super, dass junge Menschen den ZickZack-Laden weiterführen. Und mag es ihnen nicht einmal krumm nehmen – höchstens neiden – dass sie es schaffen, den „Wir scheissen auf das Internet“-Hoax durchzuziehen. Funktioniert selbstredend nur, weil die ZickZack-Jungen gut networken. Und es funktioniert natürlich auch nicht ohne das Internet. Aber gut, alles ist Ware, und wenn dieser einfache Winkelzug als unique selling point funktioniert – schön für die Marke Trümmer.
Nur das Image von jugendlichem Ungestüm mag mir so gar nicht zum Produkt passen. Biedere Rockmusik. Vermarktung top, Produktverpackung top, Produktinhalt anspruchslos, aber massenkompatibel. So weit, so strebsam. Aber es ist doch schade, wenn ein Label wie ZickZack auf einmal Rockklischees transportiert. Mir riecht das ganze nach zuviel Testosteron und zuwenig Büchern. Zuviel Geschäftigkeit und zuwenig produktivem Müßiggang.
Das ist alles, so hässlich ich das formuliert haben mag, eigentlich nicht notwendig verkehrt. Ich hätte mit ZickZack und der Trümmer’schen Ästhetik einfach Anderes verbunden. Sonst wäre ich ja gar nicht schockiert. Vielleicht bin ich nur ein alter Sack, den es schmerzt, wenn man seine heiligen Kühe ins Schlachthaus führt. Was nichts Cooles ist. Man sollte gar keine heiligen Kühe haben.
Ich finde, dass meine Rezension eigentlich all deine Kritikpunkte aufführt.
„Man rüttelt nicht an den Strukturen und dennoch funktionieren die Songs.“ und „wir sind irgendwie gegen irgendetwas und für eine Revolution, die zwar auch nur heiße Luft in die Schanze bläst, aber mit Liebe vorgetragen wird.“ Trümmer werden nicht viele Sommer erleben, das weiß ich, vielleicht schaffen sie es noch nicht einmal über den Winter, weil eine andere Proberaum-Band auf Distelmeyer macht und vermeintlich noch mehr der Jugend nach der Nase redet. Ich finde die Single in Ordnung. Ein Meilenstein ist sie nicht. Das Problem ist, dass Trümmer glauben, sie würden etwas transportieren. Nein, sie bedienen. Und das klingt manchmal sogar ganz schön.
Das stimmt. Das steht in Deiner Kritik. Mit mir sind auch ein wenig die Pferde durchgegangen. Oder die heiligen Kühe. Und dann gleich übers Ziel hinaus. Es wird ja nun nicht erst seit gestern nur noch selten aggressiv und/oder ideologisch rezensiert. Überall, meine ich. Eine Tendenz, die ich zwar bedaure, aber niemandem anlasten möchte. Jedenfalls ist mir womöglich die Sorgfalt beim Lesen ein wenig abhanden gekommen.
Mir persönlich ist heiße Luft ein wenig fad geworden, aber das soll Dein Bier nicht sein. 😉