Primal Scream – More Light

Bobby Gillespie hat immer noch Wut, die er in seinen Großstadt-Soul packt, um einen Soundtrack zu kreieren, der wohl für immer ohne Kate Moss, Margaret Thatcher und Lady Diana auskommen muss.
Und das ist gut so, denn es gibt auch weiterhin viel auszubaden für die Menschen in UK, die ihren Anti-Helden Gillespie schon oft fallen ließen wie eine heiße Kartoffel und trotz alledem hören sie ihm immer wieder zu, ja brauchen sie ihn, um aus dem Delirium des Wachkomas gerettet zu werden.

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Der Zeremonienmeister ist nun zurück und haut ein episches Brett raus, das es zu entwirren gilt. Der Bongkopf wird gefüllt. Los geht es! Das immer wiederkehrende Saxofon erspielt sich eine Bindeglied-Funktion. Es bringt Groove, aber auch Dissonanz und Muckertum, Jazz und Ska. Primal Scream sind da angekommen, wo sie alles dürfen. Sie dürfen Psychedelia mit Mick Jagger paaren; sie dürfen Neunminüter vom Zaun brechen, ohne dass man die Simplizität der Hooklines hinterfragt. Ein Kinderkarussell schiebt sich zwischen die Auslagen. Gerade die an den Rändern passierenden Ereignisse sind Primal Screams Geheimnis. Songs brechen auf, sie verdaddeln sich, sie lassen alles zu. Sie lernen Voodoo kennen, apokalyptische Gitarrenwände, die den Shoegaze in den Hintern treten. Die Disco wird aufgesperrt. Willst du Rave? Kriegste. Es riecht nach Woodstock, Punk und Jaggers Elternhaus, wo im Keller heimlich die Beatles gehört werden. Ein stumpfer Hit wird zwischengeschoben. Das Album funktioniert nur in dieser Reihenfolge und Länge. Man pustet durch und bedankt sich für Folkmomente oder Mainstream-Mainstream. Eat the Poor!
Wie ein Radiomoderator eines Piratensenders im Großstadt-Dschungel versucht Gillespie alles einfließen zu lassen. Seine Wut, seine Beobachtungsgabe, seine Liebe, den Bossa Nova und die Ronettes. Der Bong ist alle. Gillespie rüstet nach. Er hat noch Waffen für die Ewigkeit. Die heißen Robert Plant und Mark Stewart. „Every generation buys the lie just like the one before!“

More Light bringt Licht ins komatöse Leben der Jugend, es lockt mit Retro-Ästhetik und haut mit dem Top-Aktuell-Holzhammer Schädel ein. Wer Parolen braucht, hier beginnt der Straßenkampf. Dabei geht es gar nicht ums Songwriting, sondern um die Umsetzung einer Grundidee und die Penetranz des Arrangements. David Holmes hat als Produzent ganze Arbeit geleistet. More Light stinkt, glitzert, nervt, tropft, wackelt, groovt, fällt und steht wieder auf. Ein ganz großes Ungetüm, das einen wirklich verschlingt und nie wieder frei lässt.

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