Dylan ist nicht mehr der Erfinder neuer Strukturen. Er nutzt seine lyrischen Fähigkeiten, um Songs zeitlos umzusetzen. Dabei geht es nicht um wildes Akkordesuchen oder Umschichten von musikalischen Aufbauten. Seine Melodien liegen auf der Straße der Klassiker, der Geschichte und des eigenen Schaffens.
Dylans Stimme ist kurz vor dem letzten Ton, aber das war sie ja schon länger. Man ist erfreut, dass da überhaupt noch was geht. Dylan schlängelt sich sicher durch Ragtime, Blues, Pop, Swing, Country, Gospel und balladeskem Night-Geplänkel. Ein wunderbarer Reigen, der einen mitreißt und gespannt lauschen lässt. Seine Geschichten haben nichts an Wortgewalt verloren. Blues-Schemata dienen nur als Grundlage für kräftige Auswürfe über die Liebe, die Titanic, Long Roads durch die Nacht, Rückblicke und Hommagen.
Die Realität entsteht durch Träume. Dylan schwelgt in seinen Gefühlswelten und enttäuscht zu keiner Sekunde. Auch die dylanesken, zeitlosen, langen Stücke, die sich um ein Riff drehen, langweilen nicht, denn Dylan füllt typische Spielformen mit guten Gedanken und mythischem Zynismus. Die Balladen sind immer noch voller Pracht, funkelndem Pop und warmer Traurigkeit. Wie immer sind wir Menschen die Verlassenen, wir, die wieder unter die anderen gebracht werden müssen, um uns das Glück finden zu lassen. Die Nacht wird zum Tag. Nashville ist noch da. Dylan ist noch da. Was soll uns passieren?