Frank Ocean – channel Orange

channel Orange funktioniert wie ein Wimmelbild. Auf den ersten Blick herrscht Chaos, da uns zu viele Informationen von der Musik und den Songs ablenken. Texte fliegen vorbei. Sozialkritik, Homosexualität, R’n’B, Pop, Odd-Future, Mixtape, Streetfighter und André 3000 oder John Mayer tummeln sich auf Albumlänge und Augenhöhe. Na, kannst du noch folgen?
Vielleicht sollte man die Augen schließen, alle Informationen vergessen, um sich zurückzulehnen in den Ohrensessel in der heimischen Hip Hop-Burg. Kopfhörer könnten auch nicht schaden. Jetzt erst kann sich channel Orange entfalten. Du lüftest deine Sneaker. Das Album wandelt zwischen „unmännlicher“ Erotik mit Fusselteppich, fast eine Verballhornung der 90er, und der Tanzfläche der Jingle-Radiostationen. Ocean ist kein Saadiq, kein Stevie Wonder, doch er ist unfassbar bemüht. Seine Stimme versucht, jedes Fünkchen Glauben an der Sache zu transportieren. Den Rest macht dann Melodyne. Ocean hängt sich richtig rein, er schafft es, die Sounds wunderbar zu verknüpfen. Käsige Momente treffen dann schon mal auf technoide Klänge. Auto-Tune hat sanfte Snare-Schläge zur Seite. Toll gefühlig wird es in den Bridges und Refrains. Die Streicher sind so konservativ eingesetzt, dass sie fast gar nicht richtig knallen. R’n’B flimmert und flirrt.

Einiges klingt totproduziert und funktioniert dennoch. Frank Ocean ist eine Heulsuse. Taxifahrten werden zu Offenbarungen. channel Orange ist ein Album, dass man wohl 2012 gehört haben sollte. Ocean packt ganz Amerika hinein. Und wenn du jetzt die Augen öffnest, entdeckst du unzählige Lieblingsmelodien, tolle Reime oder Uncoolness, die einen berührt. Popmusik, die sich an der Realität reibt, die durchs Radio bumst und dennoch in den Untertönen sehr mutig ist. Mut zur Spießigkeit. Ob das die Kids verstehen? Oder die Hipster? Soul scheint sich mal wieder zu bewegen. Und wenn man sich den Auftritt bei Fallon anschaut, erinnert Ocean an Bruce Springsteen oder bin ich bekloppt?

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