Jahrgangsgeräusche hat zur Beantwortung dieser Frage GastautorInnen eingeladen, die ohne Reglementierungen ihre Beiträge einreichen konnten und auch weiterhin noch können. Schön zu sehen, wie unterschiedlich sie das bewerkstelligen. In dieser Woche gibt uns der in Berlin lebende Schriftsteller und Ingeborg-Bachmann-Preisträger Peter Glaser, den viele auch durch sein Blog „Glaserei“ kennen, Auskunft.
We All Live In A Yellow Subroutine
Erst war Musik für mich noch etwas, das begrifflich gar nicht aufgelöst war, das war Ende der sechziger Jahre. Musik war eine Umweltbedingung. Etwas, das einfach da war, wie im Frühjahr die Gerüche draußen da waren und im Sommer die Mücken, die auf dem Pfützenwasser gehen konnten, während von drüben auf der anderen Seite des Freibads aus einem großen Lautsprecher über der Bretterbude, in der es Eis und Limonade gab, die Belieferung mit Musik erfolgte. Dazu standen Kofferradios auf den Decken mancher Badegäste auf der Liegewiese und ich begann zu spüren, dass Musik ein Argument war und ein Verführungsversuch. Dass Musik mehr sein konnte als eine unpersönliche Anflutung, wußte ich schon, seit meine Mutter mir auf dem roten Linoleumboden in der Küche zur Musik aus dem Radio das Twisten beigebracht hatte.
In meiner Erinnerung kommt dann, noch vor ihrer Musik, die Beatles-Frisur („Pilzkopf“ sagte bei uns niemand). Der Tonfall, in dem Erwachsene „Beatles-Frisur“ sagten, war von jener sanften Ironie erfüllt, die einen als Zehnjährigen ungeheuer aufregt, ohne dass man für dieses Ärgernis die rechten Worte finden konnte. Aber dann kam doch bald auch die Beatles-Musik zur Beatles-Frisur hinzu und die Musik sprach dann für einen, in Harmoniegesang gefaßt und lautstark. Man mußte nur noch grinsen und mit dem Kopf wippen und alles war gesagt, für’s erste. We all live in a yellow submarine.
Ich hatte lange keinen eigenen Plattenspieler und folgte bei Besuchen meinen Freunden dabei, wie sie sich je nach Stimmung durch ihre Plattensammlung hörten. So bekam ich vielfältige Eindrücke von den stets vorhandenen Beatles-Platten, und es gab ein paar kleine Dinge, die immer gleich waren und die das Gravitationszentrum des Ganzen bildeten. Es waren die kurzen Blicke, die man sich zuwarf, wenn „Sergeant Pepper“ oder das Weisse Album aus dem Plattenstapel geblättert wurde, wie vier Asse aus einem Stapel Spielkarten. Ein wissendes Lächeln dazu, das sagte: Hier kommt etwas, das besonders zählt, außerhalb der gewöhnlichen Rangfolge. Beatles halt. Eines der ersten Dinge, die ich von den Beatles mitbekam, war übrigens, dass sie sich getrennt hatten, morgens im Autoradio, als mein Vater mich auf dem Weg zur Arbeit in die Schule brachte. Wir waren beide getroffen. Später, in der Punk-Zeit kam das Besondere an den Beatles nochmal zurück in einem Leserbrief aus Ghana, den der New Music Express abdruckte: „I love Beatles Band. When will there be another record from Beatles Band?“ Das war 1980.
Natürlich kannst auch du einen Beitrag einreichen. Schicke ihn per mail an .