Woher kennst du eigentlich die Beatles? Sven-André Dreyer gibt Antwort

Jahrgangsgeräusche hat sich zur Beantwortung dieser Frage GastautorInnen eingeladen, die ohne Reglementierungen ihre Beiträge einreichen konnten und auch weiterhin noch können. Schön zu sehen, wie unterschiedlich sie das bewerkstelligen.

Sven-André Dreyer, geb. 1973 in Düsseldorf, ist Germanist, Online-Redakteur und freier Autor. Er ist Mitglied des Freien Deutschen Autorenverbands (FDA), sowie Mitglied des Vereins Literaturhaus Nordhessen e.V..
Sven-André ist außerdem Initiator und Veranstalter der Lesereihe „Lesen in der KLAUSE“ in Düsseldorf und Ensemble-Mitglied der Lesereihe „Sonny Wenzel & Freunde“. Man findet ihn hier.

Ich lernte ihn am ersten Tag der Einschulung auf die weiterführende Schule kennen. Es war 1984 und sie setzten mich neben ihn; es war der einzige freie Platz in der Klasse.
Wir waren einander extrem fremd und dennoch traf sich das irgendwie gut: er kannte niemanden, ich kannte niemanden und wir wurden Freunde, obwohl wir unterschiedlicher nicht sein konnten.
Er trug 1984 braune Lederriemensandalen von Birkenstock, ich Turnschuhe von Aldi. Er trug die Haare 1984 lang und ich angepasst und elterlich geprägt kurz. Ich hörte DAF, Witt und Kraftwerk, er Zappa und die Beatles.
Soviel wir auch miteinander teilten, die Musik teilten wir nicht. Wie auch? DAF, Witt und Kraftwerk, gegen Zappa und die Beatles eintauschen? Niemals, nicht mit mir, auf keinen Fall, niemals.
Es wurde Winter und er trug immer noch Sandalen. Je kälter es wurde, desto dicker wurden seine Socken, aber die Sandalen trug er weiterhin. Den gesamten Winter hindurch. Und er hörte weiter die Beatles, dieser hartnäckige Sturkopf.
Irgendwann, es war ein Frühlingstag, es wurde wärmer und die Socken wieder dünner, saßen wir in seinem Zimmer und hörten Musik. Erst das rote Album, dann das blaue. Und noch einmal das rote. Später dann noch Let it be, dann ließen wir es sein. Für diesen Frühlingstag.
Die massiven Vorurteile, die ich im Laufe meines bis dahin erst sehr kurzen, musikalisch wenig geprägten Lebens gegenüber den Beatles bereits aufgebaut hatte, schienen bis zu diesem Frühlingstag unüberwindbar. Und dennoch bröckelten sie zaghaft, verschwammen irgendwann, wurden kleiner, unbedeutender und blasser. Die Musik rückte in den Vordergrund und irgendwann überblickte ich das Werk der Beatles. Ich verstand es nicht, ich überblickte es nur. Was ich verstand war, dass mir einige Stücke der Beatles einfach viel bedeuteten, wichtiger und wichtiger für mich wurden und meine bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Hörgewohnheiten retrospektiv revolutionierten. Sie tun das von Zeit zu Zeit bis heute. Neue Bands traten in meinen Musikhorizont, andere verschwanden; mein musikalisches Empfinden und kompositorisches Dafürhalten mäandriert täglich und doch: einigen Bands und Stilen bin ich bis heute treu. Und bis heute trage ich keine braunen Lederriemensandalen von Birkenstock. Er aber auch nicht mehr.
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