Wenn einem das Wort Melange leicht von den Lippen geht, dann scheint man wohl doch sehr überzeugt zu sein, dass das auch stimmt, denn sonst hat der Begriff ja was nicht Greifbares, etwas nicht Perfektes oder sogar Milchiges. Quincy Jones lieferte 1973 so ein Gemisch ab, das lange, schwelende Songs mit Stimme mit Tunes für Film und Fernsehen kombiniert und nebenbei wahnsinnig muckt.
„Summer in the City“ bleibt auf den ersten Blick das, was es ist. Tausendmal gehört und doch wiedererkannt. Doch Valerie Simpsons Stimme mogelt sich irgendwie unter. Sie setzt mehr als nur Sonnenstrahlen frei. Ihre Stimme fährt wie ein Eiswagen durch die Straßen und klingelt.
„Eyes Of Love“ gibt der Mundharmonika, die du so fürchterlich hasst, eine zweite Chance. Tom Junior Morgan bläst gedankenverloren feuchte Augen in ein Kuschelstück. Rosenverkäufer pfeifen heimlich mit. Beim Tribute Song für Aretha Franklin taucht Valerie Simpson wieder auf. Mit einer gedoppelten Stimme rückt sie der Soul-Queen auf die Pelle. Der Tag neigt sich dem Ende und eine schöne Querflöte vögelt sich in den Sonnenuntergang. Quincy haucht ein paar coole Worte und macht auf Schlüpferstürmer. Der andere Quincy, nämlich Quincy Duke kommt als Duettpartner ins Spiel und gibt dem Soul noch ein wenig mehr Kraft und männliche Tiefe. Dann switcht der Song in den zweiten Teil und hievt sich auf das Sofa. Das Tigerfell kitzelt am blanken PoPo. Ernie Watts‘ Saxophon ist der Dosenöffner, schön schmalzig kommt Valerie zurück und drückt sich in die Kissen. Das erste Treffen, der erste Blick in verliebte Augen retten ein Leben. Die Instrumente tirilieren wie in einer Operette.
Quincy Jones trägt gerne dick auf. Alle Instrumente geben ihr Bestes, sie lehnen sich rein und andere kurz wieder an den Rand. Die Stille zwischen den Stücken ist manchmal sogar beängstigend. Die Liebesmelodie aus „The Getaway“ stürzt sich vom Balkon und platscht in den vorgeheizten Pool. Seitdem nie wieder ein Mundharmonika-Thema gehört, das nicht nervt. Die Melodie schmiegt sich an Bilder, die entweder in deinem Kopf sind oder auf der Leinwand.
Der Titeltrack stammt von Stevie Wonder. Die Bläser säuseln noch. Quincy haucht im Background die Titelzeile. Keyboards machen den Geigenhimmel und wie von Geisterhand groovt das alles auf einmal. Hüften kreisen, Tagträume werden weggeheult. Auch „Superstition“ stammt aus Wonders Feder. Ein kleines Funkmonster mit Perlen im Haar. Die Bläsersektion macht Alarm. Endlich wird mal aufdringlich gemuckt. Die Gitarre darf wabern und der Bass pumpen. Die Showtreppe brennt.
„Manteca“ klingt wie eine Fingerübung. Es stolpert, groovt und kreischt. Wilde 8 Minuten. Jemand hat die Käfigtür offengelassen. Der Löwe schaut nur kurz raus und kämmt sich die Mähne. Zwei Fernsehhymnen beenden den Streich. Bill Cosby lächelt und pfeift in seinen bunten Pullovern einfach ein schwieriges Thema mit.
Zack, es ist rum. Jetzt kommen wir wieder zu der Begrifflichkeit Melange. Am Ende stehst du ratlos da. Was war das? Wo ist der Faden? Gibt es einen Masterplan? Nein, aber genau das ist es wohl! Du musst es nochmals hören und noch mal und noch mal. Du entdeckst neue Lieblingsstellen. Sind es die mächtig quietschen Bläsermomente, ist es das schwülstige Geweine von Valerie? Ist es die Erinnerung an Film und Fernsehen? Sind es die tausend Teile, die einen Song und dich schwindelig machen. Melange halt. Schlagsahne wird hier seperat serviert.