Woher kennst du eigentlich die Beatles? Uli Eulenbruch gibt Antwort.

Jahrgangsgeräusche hat sich zur Beantwortung dieser Frage GastautorInnen eingeladen, die ohne Reglementierungen ihre Beiträge einreichen konnten und auch weiterhin noch können. Schön zu sehen, wie unterschiedlich sie das bewerkstelligen.
Heute ist Uli Eulenbruch unser Gast. Er schreibt seit Ende 2005 leidenschaftlich auf seinem Blog Auf ein neues und bei Auftouren über Musik.

„Woher kennst du eigentlich die Beatles?“ Als mir diese Frage dargelegt wurde, musste ich ein wenig lachen. Ausgerechnet die Beatles. Was hätte ich über andere Themen kenntnisreich oder passioniert referieren können, aber nein, ausgerechnet um diese Band geht es hier. Ja, ich muss es an dieser Stelle weder stolz noch beschämt eingestehen: Ich habe noch nie ein Album von den Beatles gehört.
Nicht dass ich es aktiv vermieden hätte weil ich prinzipiell etwas gegen sie hätte – ein paar meiner besten Freunde sind Beatles-Hörer! Nur führte mich meine musikalische Sozialisation, vom ersten Discopop-Tape früher Kindheit bis zum erstem Punk-Konzert ein Jahrzehnt darauf, einfach nie direkt dazu, auch später wollte sich nie die Gelegenheit spontan ergeben. Sicher habe ich schon einige ihrer Werke vereinzelt mitbekommen – in Werbung, Filmsoundtracks, Radio, … – aber nie gezielt gehört. Nie im Rahmen eines denkwürdigen Erlebnisses wie dem ersten Kuss, dem ersten Pärchentanz, bei keinem ersten Irgendwas, in Verbindung mit dem sich einer ihrer Songs unauslöschlich in meine Erinnerung hätte einprägen können.
Das mag ungewöhnlich sein für jemanden, der seit 20 Jahren Platten kauft, seit über 10 Jahren passionierter Musikfan ist und seit mehreren Jahren nahezu täglich über Musik schreibt. Vielleicht werde ich mir nun vorwerfen lassen müssen, keine Ahnung von Musik haben zu können. Wie kann man nur die Alben der bedeutendsten Band aller Zeiten nicht kennen? Aber mehr und mehr frage ich mich, ob man die Musik der Beatles so unbedingt kennen muss. Ist Pop etwa wie ein großer, stringenter mathematischer Beweis, den man nur dann korrekt verstehen und erörtern kann, wenn man von Beginn bis Ende jeden Schritt lückenlos nachvollzieht?
„Mut zur Lücke“, sagte mein Englischlehrer des Öfteren. Damit meinte er, dass es wichtiger ist, ein intuitives Sprachverständnis zu erlangen als sämtliche Vokabeln der Welt zu pauken. Die lassen sich dann nämlich auch aus dem Zusammenhang erkennen. Ähnlich frage ich mich, ob die Beatles eine essentielle Grundvokabel für unser Verständnis von Popmusik sind oder etwas, das man auch erfassen kann, ohne alle ihrer Alben gehört zu haben. Ist nicht angeblich fast alles, was sie gemacht haben mittlerweile fest in westlichen Traditionen von Pop/Rock-Musik verankert, sind sie nicht eine dermaßen selbstverständliche Referenz, dass sie kaum als musikalischer Vergleich herangezogen werden, viel eher, um die historische Statur oder den Einfluss einer anderen Band zu bemessen? Sind nicht alle ihre Songs dermaßen oft reinterpretiert worden, dass man die Beatles auch hören kann, ohne die Beatles zu hören?
So gibt es in der Tat ein paar Beatles-Songs, die ich sehr gerne mag und sehr gut kenne. So gut, dass sie mir von vorne bis hinten einmal durch den Kopf gehen, sobald ich an sie denke. Nur wird keiner davon keiner tatsächlich von den Beatles gespielt. Zurück gehend zur Ausgangsfrage also, woher kennt jemand die Beatles, ohne direkt die Beatles gehört zu haben?
– „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ war ein Stück, das ich auf der Blockflöte zu spielen lernte. Von daher kenne ich bloß die Gesangsmelodie als wortloses Instrumental, aber diese simpel-lebendigen Tonfolgen, die sich ohne viel Hin- und Herspringen relativ leicht greifen ließen, habe ich wohl besser als alle anderen gelernten in Erinnerung.

– „Octopus’s Garden“ in der Fassung der Muppet Show hat mit seiner sanften Darbietung etwas bezaubernd Fremdweltliches. Ob ich den deutschen Text in jungem Alter ganz korrekt aufgeschnappt habe, ist natürlich fraglich, aber Zeilen wie „Ich schwimme hier, so tief im Meer, in dem Oktopus-Garten tief im Meer“ und der Muschelchorgesang „Wir sind so froh, wir sind so froh, weil keiner unsere Perlen jemals klaut“ kommen mir sofort ins Ohr geflossen wann immer ich ein Aquarium betrachte.
– Ich habe verzweifelt gesucht, aber die Interpreten jener Version von Yesterday, die bei Familienbesuchen des Öfteren in einem italienischen Restaurant lief, konnte ich einfach nicht ausfindig machen. Eine sehr freie, Rumba-ähnliche Südeuropa-Spielart Richtung Gipsy Kings hatte die unbekannte Band, die den Refrain um eine Sektion aus „Yesterday, olay olay olay olay-o“-Rufen erweiterte. Die Extraportion feuriger Pep, die sie dem Stück damit verlieh, war wohl nicht ganz im Sinne des Erfinders.
– Auf einer Grundschulalter-Jugendfahrt bereitete es uns großen Spaß, den Refrain von „Yellow Submarine“ zu singen – allerdings als Fußball-Schmähhymne mit dem Text „Bayern ist die Scheiße der Nation“.

Siouxsie & The Banshees – Helter Skelter von enkil_
– Siouxsie & The Banshees‘ „Helter Skelter“ beginnt mit schweren, langsamen Schritten, zieht alsbald an und pfercht mit militärischer Strenge pure Metallgitarren in ein Rhythmuskorsett mit dem psychotisch antreibenden Beat. Sioux ist darüber gleichzeitig so in Kontrolle und selbst zum eigenen Ausrasten befreit, dass ich ein wenig überrascht war, sie bei Liveauftritten keine Kommandeursmütze tragen zu sehen. Vor allem aber war ich enttäuscht, als ich Jahre später einmal das Original hörte, auch bevor ich um den Manson-Kontext wusste so viel mehr von der eisig-endzeitigen Interpretation bewegt, dass diese Langhaar-Muckerhaftigkeit dagegen effektarm war.
Vielleicht schadet es manchmal tatsächlich nicht, die Beatles nicht zu kennen.
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