Amon Tobin – ISAM

Es prasselt, es blitzt, es spiegelt. Es schabt und drillt ohne Ende. Atempausen sucht man hoffnungslos. Sample-Fontänen werfen hohe Widerstände meilenweit. Saitenartiges verfängt sich im heterogenen Klangpelz. Schemenhafte Stimmenberge erscheinen, von denen man nicht den Eindruck hat, dass sie zu einem sprechen würden. Über allem in massigem Klanggewand, durchgezwiebelte Soundsynoptik. Und jetzt alle: Armeen von Sample-Klonen kämpfen große Schlachten gegen Kompressor, gegen Limiter und deine beinahe überforderte Aufnahmefähigkeit.
Tremolos liegen auf mehreren Spuren. Knartzige Angriffe verhaken sich wie in einem wabernden Spinnennetz, dass unter permanentem Bombardement steht. Glockige Attacken in verschiedenen Tempi. Endlich ist es soweit. Denkt man vielleicht immer noch nach einer Zeitspanne, die für eine übliche Ouvertüre schon zu lang war. Auftaktartig deuten vorwitzige Drums, die natürlich keine konventionellen Drums sind, an, sie wollten gleich losbreaken. Aber nein: Das Sägezahnzelt stürzt platschend in einen selbstmodulierten See. Endlos unterbrochene Schleifen spielen mit sich und der Welt um die Wette. Es kracht im Grindelwald. Der drückt als Tiefpasswolke mit Sinusschaum vor dem Mund zurück in die Zukunft.
Percussive Verknorpelungen reihen sich zu Kristallen auf, frei von jeglicher Symmetrie. Sie fallen ineinander, verdichten das um Größe ringende High-End-Sample-Faszinosum. „Isam“ ist das Model eines Albums als Universal-Eintopf-Selfmade-Soundlibrary-Erlebnis. Eine Reise für zeitgenössische Anästhesisten. Eine Reise mit besten Absichten auf jeden Fall. Lobenswert ist das mikrostrukturelle Konzept. Ob für „ISAM“ jedoch der Weg schon das Ziel ist, muss sich bei späterem Wiederhören noch beweisen.
Amon Tobin in Luxemburg
Nach „Foley Room“ kehrt der Brasilianer Amon Tobin zurück mit der groß angelegten Blaupause eines neuen Klangfuturismus. Die zu Grunde liegende Produktionsstrategie, die ähnlich wie bei Flying Lotus und Prefuse 73, das Albumformat nicht als eine Ansammlung von ausgearbeiteten Tracks versteht, sondern das skizzenhafte Anreißen von Motiven postuliert, wird auf „ISAM“ weiter getrieben. Das exponierte Sample als eigene Spezies bekommt seine große Bühne mit gleißendem Spot. Jedes Ereignis dauert maximal wenige Sekunden. Ein High-Tech-Panoptikum des 21. Jahrhunderts. Es geht um nichts weniger als kaskadierende Klangstapelungen, auch wenn am Ende in „Kitty Cat“ und den Folgenden bekanntere Tobin-Muster anklingen und das Album beschließen.
„ISAM“ ist am 21.05.2011 bei Ninja Tune erschienen.
‚ISAM‘ – Full album with track-by-track commentary from Amon Tobin by Amon Tobin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.