Wo soll man da jetzt anfangen? Bei der Bandgeschichte? Bei Japan? Bei Metal?
Boris sind die wohl freakigste Band des Planeten. Sie scheren sich nicht um Credibility. Die fliegt ihnen zu. Seit geraumer Zeit produzieren sie Platten, die nicht immer leicht zu konsumieren sind. 1992 ist wirklich eine Hausnummer. Nun bieten sie uns direkt zwei Platten an. Muss man beide hören, um darüber was schreiben zu können? Ja und Nein.
So unterschiedlich die beiden Alben auch sind, es wird mal wieder auf Genrezugehörigkeit geschissen, obwohl der Pop in beiden Platten dermaßen durchschimmert, dass sich sogar Gottesanbeterinnen nen neuen Altar bauen. Heavy Rocks will wild sein und ist es auch. Fliegende Gitarren treffen sich im Metal-Heim, um sich der Party zu widmen, die keiner bestellt hat. Langsamkeit trifft Schnelligkeit, um sich niemals zu einigen. Aber das war bei Boris immer schon so. Sie dreschen ihren Metal runter. Das macht Spaß, gibt einem aber auch ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Alles ist natürlich immer eine Spur zu dreist. Humor scheint eine große Rolle zu spielen. Die Hölle wird zu einer Schaumparty. Die Becken klingeln solange nach, dass deine Haare wieder trocken werden. Für Boris eine Fingerübung. Für andere eine Lebensaufgabe. Easy Riffs suhlen sich in der Heavy-Welt, die nicht nur den Stumpfen gehört. Nein, nehmt sie ihnen wieder weg. Doom.
Hier wird gradlinig geholzt. Der Funke bleibt manchmal kleben, manchmal ist das aber so spleenig, dass man nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Langsamkeit ist dann doch nicht mehr schaumpartytauglich. Sogar die ruhigen Parts bleiben relativ unmelancholisch. Glücksmomente sind düster. Das Dosenbier wird manchmal verschmäht. Zwei lange 12-Minüter suchen Verdauung. Die Verstärker geben dennoch genug Luft, um dem Krach seinen Tribut zu zollen. Die Drums kommen aus der Hall-Familie, doch Schönklang in seiner Klarheit gibt dem Ganzen noch einen Übervater. Macht Spaß, doch vieles wartet auf eine Zerstörung, die dann leider nicht immer eintritt. Viele ruhige Elemente steuern gegen die Wand. Egal, trotzdem hat man verstanden, wie der Hase bei Boris läuft. Wände können auch weiß bleiben, um sich heimisch zu fühlen.
Ist das dann noch Metal? Die Posterfraktion wird dies verneinen. Ein Kopfnicken und Fuchteln reicht mir. Der Brecher kommt dann an der nächsten Biegung. Amtlich.
Attention Please holt dann anderes Holz ins Feuer. Ist das nun der Weg in die Elektronik? Nein! Muss man alles deutsch, krautrockig sehen? Nein! Japan ist immer noch am Puls der Zeit. Mit eigenen Mitteln wird eine Welt aufgebaut, die ein famoses C-Dur und die Sängerin ins Psychedelische rückt. Lange Intros bleiben einfach lang und zelebrieren den Shoegaze. Wabernde Bässe dienen der Gitarre wie ein Untertan. Es groovt leicht unbeholfen, doch ungestüme Gitarrenfahnen halten dich bei der Stange. Dann wird auf einmal Fahrt aufgenommen. Tempo bedeutet dunkler Dancefloor. Wie einst bei My Blooody Valentine gibt es Indie-Hits, die dein Herz erobern. Alles vibriert und du bist im siebten Himmel. Klare Strukturen geben dir Halt. Bretter werden zu Gummiwänden. Gehauche wird dich endlich liebesfähig machen. Worte kommen aus Mündern, die das C-Moll nicht mal aussprechen können. Feinster Pop, der immer noch zieht.
Amerika ist nur noch ein Katzensprung entfernt und England wird sich beschweren. Tolle Platte. Also was sagt man zum Schluss? Es ist ein Wagnis, zwei unterschiedliche Platten auf einmal herauszubringen. Ein Doppelalbum hätte vielleicht auch nicht funktioniert. Niemals. Mir persönlich gefällt Attention Please mit dieser Popaffinität besser, aber ich glaube, ich lege trotzdem eher einen Song von Heavy Rocks auf, um mich durchpusten zu lassen. Wie ich beim Drüberlesen merke, habe ich auch viel mehr zu Heavy Rocks gesagt. Mmmh. Ach, beide gut. Punkt. Bemerkenswerte Band, die immer wieder überrascht. Wirf ein Ohr rein!