Unsere neue Reihe nimmt sich einer banalen Frage an, die auf den ersten Blick überflüssig erscheint, doch bei genauerer Betrachtung ungemeines Potenzial beinhaltet. Jahrgangsgeräusche hat sich zur Beantwortung dieser Frage GastautorInnen eingeladen, die ohne Reglementierungen ihre Beiträge einreichen konnten und auch weiterhin noch können. Schön zu sehen, wie unterschiedlich sie das bewerkstelligen. Blicken unsere Autoren in die Vergangenheit? In die eigene oder die der Eltern? Ist Musik nur der Aufhänger für eine popkulturelle Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen an ein Geschenk wie Liebe? Reichen unsere Kollegen, Freunde und Leser Gedichte oder Songs ein? Gibt es eine fiktive Antwort als Schelmenkurzgeschichte? Sagen Fotos mehr als tausend Worte? Wir lassen uns überraschen.
Natürlich kannst auch du einen Beitrag einreichen. Schicke ihn per mail an . Alles ist möglich und nun fragen wir zum ersten Mal: „Woher kennst du eigentlich die Beatles?“
Den Anfang macht Peter van Duuren, ein eingefleischter belgischer Beatles-Fan, den wir bei einem Aufenthalt in Maasmechelen kennenlernten und der uns ermutigte, diese Reihe zu starten.
Es war der 29.4.1971 in Beringen. Meine Mutter lag mit mir im Krankenhaus. Ich war noch nicht auf der Welt, doch die Wehen hatten schon vor Stunden eingesetzt. Mein Vater war auf dem Flur und ging seine Runden. Das macht er auch heute noch z.B. bei wichtigen, spannenden Fußballspielen. Die Hände hat er dann hinter seinem Rücken verschränkt, wie ein Dorfpfarrer, der durch die Straßen zieht und seine Schäfchen begrüßt. Sein Bruder war auch da. Er hatte, wie auch heute noch, einen Flachmann in der Hemdstasche, den er ungefragt jedem unter die Nase hielt. Man sollte sich schon mal warm machen. Mein Vater lehnte die ersten Versuche seines Bruders, die Nervosität zu bekämpfen, noch ab, doch irgendwann gab er nach.
Meine Mutter schrie. Die Ärzte versuchten alles Mögliche, um mich nicht mit einem Kaiserschnitt auf die Welt zu holen, denn dies wollte meine Mutter vermeiden. Ihr lag viel daran, dass ihr Körper unbeschadet aus der Sache rauskommt. Schon die Zunahme während der Schwangerschaft war ihr ein Dorn im Auge. Heute würde man sie eine dünne Schwangere nennen. Am 28.4. war sie mit dem Taxi eingeliefert worden, da mein Vater noch als Begleitschutz auf dem Staatsbesuch des Königspaares in Deutschland verweilte.
Ich wollte also erst zur Welt kommen, als auch mein Vater anwesend war, der sich erst am nächsten Morgen loseisen konnte. Meiner Mutter wäre das egal gewesen.
Nach stundenlanger Qual schaute ich abends um kurz nach sieben aus ihr heraus. Mein Vater hatte inzwischen den Flachmann seines Bruders geleert und ihn zum Nachschubholen geschickt. Seine Runden lief er schon lange nicht mehr. Er lehnte an der Flurwand. Als er endlich ins Zimmer gerufen wurde, sang er lauthals „Ob-La-Di, Ob-La-Da“.
Ich meine mich heute jedes Mal, wenn ich diesen Beatles Evergreen höre, ein bisschen mehr zu erinnern, wie mein Vater damals aussah. Warum er ausgerechnet diesen Song sang, weiß er heute natürlich nicht mehr, denn er war zu dieser Zeit eigentlich kein Beatles-Fan mehr, sondern verfolgte das Solotreiben von George Harrison aufmerksamer und hatte für Lennon/McCartney keine guten Worte mehr übrig.
Also sind die ersten meiner Töne, die ich hörte meine schreiende Mutter, die es ohne Kaiserschnitt über die Bühne brachte und mein beschwipst singender Vater, der den vielleicht schlechtesten Beatles-Song auf den Lippen hatte, als er meinen kleinen Körper sah.
Die Plattensammlung meiner Eltern wurde schnell meine und letztens fragte mich meine Mutter, ob ich denn jetzt dank der iTunes-Beatles-Veröffentlichungen nicht ihre alten Vinyls rausgeben würde. Ich habe nur laut gelacht und ihr ein Geschenkkörbchen geschickt, gespickt mit auserwählter Schokolade. Das hat sich nämlich auch geändert. Für wen sollte sie sich auch noch in Form halten? Mein Vater hat sich irgendwann für ein jüngeres Ding entschieden, mit der er auch zwei Kinder hat. Bei deren Geburten war er sogar im Kreissaal. Was er geträllert hat, weiß ich aber nicht.
Ein Traum bleibt natürlich das Phantasie-Comeback-Album der Jungs aus meinem Geburtsjahr. Obwohl es mit Beatles ’71 einen genialen Titel haben würde.