Kreidler – Tank

Referenzen, Referenzen, Referenzen. Neben der oft hervorgehobenen Bedeutung von Einflüssen, Zitaten und dem Blick in den Spiegel der umliegenden Künste sollte man die zeitlichen Verortungen bei Kreidler nicht über die Hinterbühne abkippen lassen. Ausgehend von dem im Herbst 2009 erschienenen Vorgänger „Mosaik 2014“ vertiefen Kreidler auf „Tank“ die Neudefinition von Modernität weiter und entlarven mehr denn je die Überkommenheit vergangener Zukunftsvisionen und deren Klischees in der elektronischen und elektronisch beeinflussten Musik.
„Also / stehen noch Tempel. ein / Stern / hat wohl noch Licht. / Nichts, / nichts ist verloren.“ (Paul Celan)
Die Zeiten, in denen uns bunte Illustrationen Generationenraumschiffe und fliegende atomgetriebene Automobile versprachen sind schon lange Vergangenheit. Ebenso ist die Ära riesiger Modularsynthesizersysteme passé. Dennoch durchzieht seither ein Duktus der Dominanz maschineller Stärke latent vielerlei einflussreiche Stile elektronischer Musik. Gleich so, als gelte es, an dem Glauben festzuhalten, dass sich technischer Fortschritt monolithisch und im jeweiligen System allumfassend manifestieren müsse, als gebe es keine evolutionären Entwicklungen, sondern nur allzeit unsichtbare Quantensprünge durch Mutationen. Die Darstellungen dieser Idee waren zahlreich von Metropolis bis Mondbasis Alpha 1. Diese waren alle ohne Zweifel sehr attraktiv im Positiven wie im Negativen. Nur, sie sagen natürlich mehr über das 20. Jahrhundert aus, als über das 21., mit dem sie herzlich wenig zu tun haben.
In der aktuellen Musik sieht es merkwürdigerweise immer noch kaum anders aus. Da hinkt etwas. Von Minimal bis hin zum Dubstep, überall wurde und wird das Technische gefeiert. Was natürlich richtig war. Doch was ist daran heute wirklich noch zeitgemäß? Und wie manifestiert sich das noch zeitgemäße Technische? Was ist genau das charakteristische an aktuellen technischen Entwicklungen? Offensichtlich nicht die von Retrowellen besetzten angestaubten Dinosaurier und deren niedlichen Emulationen. Wenn sich in den Kritikerattributen die Vorsilben Post- und Neo- gegenseitig auslöschen, wird es Zeit innezuhalten.
Denn man sollte immer wieder neu die wichtigen Standpunkte hinterfragen. Kreidler überdenken auf einer Art, die Ihre Musik im Jahre 2011 als etwas sehr gegenwärtiges, sehr auf den Punkt gebrachtes erscheinen lässt, als etwas so Zeitgemäßes, dass es eben nie von einer musikalischen Utopie des 20.Jahrhunderts hätte erdacht werden können. Und das, obwohl die 6 Stücke auf „Tank“ sich einmal mehr verschiedenster Einflüsse und Zitate aus diversen Stilen des späten 20.Jahrhunderts speisen, und zwar nicht nur aus denjenigen, die Kreidler üblicherweise zugeschrieben werden. Manchmal ist es eben gerade das nicht Klassische, das Unbeachtete, das es wieder zu entdecken und einzuverleiben gilt. Genau das macht die Musik von Detlef Weinrich, Andreas Reihse, Thomas Klein und Alex Paulick so hyper-modern. „Tank“ ist eine gut geölte weitgehend abstrakte Maschine, ein hervorragendes Album, dass Spannung evoziert.
„Tank“ ist Anfang März 2011 bei Bureau B. erschienen.
Kreidler - 2011

0 Gedanken zu „Kreidler – Tank“

  1. da ist das retrofuturistische technik-gehubel aber schön auf den punkt gebracht worden. nur den dreh, dass kreidler hyper-modern sein sollen, krieg ich nicht ganz raus. nichtsdestotrotz: famose platte, kreidler werden immer besser, wer hätte das gedacht? ich nicht, schön.

    1. Wie wäre es mit:
      aus der Sicht von 1990 war so etwas wie z.B. Dubstep wahrscheinlicher als Kreidlers „Tank“. Die zwangsläufigen Unabsehbarkeiten der allgemeinen Entwicklung finden mehr Ausdruck in ihrem Album als in anderer zeitgenössischer Musik, die modern sein möchte.

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