Wire haben sich schon immer gewehrt, den Schubladen den Einlegeboden zu geben. Nicht immer hat das geklappt. Sie waren schon Post bevor der Begriff überhaupt zum ersten Mal als Referenz auftauchte. Damit müssen sie bis heute leben. Verdient haben werden sie damit nicht schlecht.
Das 12. Album steht nun an. Drei Jahre haben sich die Mannen um Colin Newman Zeit gelassen. Der Tatendrang scheint ein wenig nachgelassen zu haben. Colin hat immer noch seine schwebenden Gitarren im Gepäck, die immer wieder das Träumerische in den Akkorden suchen, aber natürlich beim Träumen in Gruben stürzen. Dreimal kommt sogar die Akustische zum Einsatz. Mit Hall versetzt dient sie als Untermalung für Schwelgerisches. Folk der besonderen Art.
Der Rock ist auf den letzten Alben immer mehr in den Hintergrund getreten. Aber Obacht „Two Minutes“ hat düsteren Horror in den Hosentaschen. Colin macht den Vincent Price und Mark E. Smith für ein Schauermärchen der Marke Punk. Eine Noise-Attacke der kurzen Idee. Irgendwie aber harmlos. Danach folgt ein Popansatz, der seither in Colin lodert. Eine einfache Hookline, die sich magisch aufbaut. Ein knackiger Refrain, eine kräftige Faust. Songwriting wird immer noch ernst genommen. Stimmungen brauchen Akkorde. Natürlich darf das Malen nicht zu kurz kommen. Moods werden mit dunklen Farben auf die Leinwand geklatscht. Manchmal klingen Wire nach den frühen Roxy Music. Nur das Newman es nicht durchhält, den Dandy zu machen. Er will dann doch der Shouter sein. Mehr der Prediger. Weniger der Ladykiller.
Die Power ist in Bruchstücken vorhanden. „Moreover“ holt dann doch nochmals das Megafon aus dem Bastelkeller. Ein stumpfer Beat begleitet angerippte Gitarren, die stoisch kratzen. Wire wissen nach all den Herrenjahren nicht mehr, wo sie sind. Irgendwie kleben geblieben im Punk und Britpop. Wollen sie nun den Schöngeist löffeln? Oder wollen sie im Neonlicht mit Nebel stehen und sich beim Spielen auf die Schuhe gucken? „Moreover“ hat Kraft, die an Mogwai denken lässt, wenn Newman nicht krakeelen würde. Am Geglücktesten sind die kurzen Schunkler, die eine Phaser-Gitarre fliegen lassen. Da wird die Tanzfläche gefegt. „A Flat Tent“ schafft das. Das Beste Stück des Albums. Viele Akkorde gehen das Griffbrett runter. Manchmal nur einen Halbton. Das war früher so und funktioniert auch heute noch. „Smash“ ist ein kleiner Smasher, den man sich gut auf einer Bühne vorstellen kann. Mit schwungvollem Chorus und handfester Dramatik.
„Red Barked Tree“ ist ein schwer einzuordnendes Ding. Es macht Laune, wirkt aber irgendwie altmodisch und fahrig. Colins Stimme wiederholt zu oft das selbe Schema. Leider stecken auch zu viele Worte in den Songs. Zu überladen. Soundlandschaften sind da schöner als Spoken Word. Man wird das Album noch ein paar Mal hören müssen. Drei, vier Songs werden dann den Weg ins Archiv schaffen. Die kalten, psychedelischen Nummern werden wohl unter Filler eingeordnet. Das Titelstück gibt einem dieses Rockpalast-Gefühl. Das will ich nicht haben.
Red Barked Tree erscheint auf Pink Flag und kannst Du hier hören.