Ich muss mit einer Floskel beginnen. Das Wetter passt zu diesem Abend. Es pisst schon den ganzen Tag und der Wind haut dir sein mildes Gelächter um die Ohren. Ein Mini-Festival mit drei in Besetzung und Thematik ähnlichen Bands hat das Kampnagel da angesetzt. Ein außergewöhnliches Paket. Ein Paket, das einen dunklen Abend vermuten lässt, doch irgendwie kam alles anders.
Former Ghosts beginnen. Freddy Ruppert haut so ungestüm auf eine Stand-Tom, dass die Schlagzeugstöcke brechen und das Publikum sich duckt, um nicht Späne abzubekommen. Jamie Stewart ist nur bei den ersten Stücken an der Gitarre dabei und auch Nika Roza Danilova taucht nur kurz auf, um Freddy ihre Stimme zu leihen. Den Rest bestreitet der wirbelige Schlacks alleine. Seine Tolle fliegt durch die Luft, er wird kurzatmiger. Freddy geht in seinen Songs auf. Die Playbacks dröhnen aus seinem Apfel und kleine, flinke Keyboardfiguren können auch nicht seine Reise bremsen. Freddy weint fast beim Singen. Er schnauft und schwitzt. Er leidet. In seinen Songs steckt eine Menge Club. Hätte man so nicht gedacht. Seine straighten Beats lassen nicht nur seine Hüfte beben. Als Frontman ist Ruppert eine Wucht. Tolle Performance, die vielleicht Überraschendste am Abend.
Nach einer kurzen Pause betritt Nika Roza Danilova die Bühne. Ganz alleine. Jetzt muss sie sie ausfüllen. Sie singt ständig, sie geht auf und ab. Von links nach rechts und von rechts nach links. Manchmal geht sie in die Hocke, um Luft zu holen für die nächsten Spaziergänge. Ihre Stimme erinnert an Bonnie Tyler, nur die Musik zerstört dieses schöne Bild wieder. Zola Jesus macht düstere, ja dunkle Musik, wenn man das so sagen darf, mit sphärischen Flächen und stumpfen Beats. Über allem ragt Nikas Stimme, die den Songs kaum Luft gibt, sondern sie nur als Unterlage benutzt. Wavige Rhythmik paart sich mit klangvoller Intonation. Dass Nika eine wahnsinnige Sängerin ist, wissen wir. Was ist mit den Songs? Sie kleben leider etwas starr in den Boxen. Und die große Theatralik und Düsternis ist poppigen, fast rockigen Midtemponummern ausgeliefert. Auch Zola Jesus hat wohl gemerkt, dass ihre poppigen Stücke noch mehr Aufmerksamkeit erregen als ihre kleinen, krachigen Frühphasen-Stücke. Der Erfolg lockt Nika aus der Höhle. So geht auch die zweite Runde an Freddy Ruppert.
Xiu Xiu betreten die Bühne. Mit zwei großen Beckentürmen bewaffnet geht es in die dritte Runde. Jamie Stewart haucht und keucht, ähnlich wie Ruppert, doch er versucht mehr zu singen. Der neue Sidekick Angela Seo betätigt das Keyboard und den Crash-Baum mit Intensität. Der Hit „Chocolate Makes You Happy“ kommt leichtfüßig daher. Einige Krachparts mit extrem verzerrter Gitarre mischt Jamie Stewart unter teilweise groovige und groteske Heuler. Auch „I Luv The Valley Oh!“ kommt knackig mit viel Drive von der Bühne. Zwei Mundharmonikas kommen zum Einsatz. Aber nicht um dem Song zu dienen, eher um einen weiteren Klang zu den Playbacks, Keyboards und Gitarren zu mischen. Eine Trillerpfeife gibt dir den Hörsturz.
Xiu Xiu kämpfen sich durch ihr Set. Alles muss genau sitzen, um die gewünschte Stimmung und Atmosphäre zu erzeugen. Nicht immer gelingt das. Die besten Songs sind dann die, die perkussiv vollen Einsatz zeigen. Wenn das Tamburin raschelt, der Schellenkranz scheppert und die Beats knüppeln. Jamie Stewart schafft es, fast magisch ein Hingucker zu sein. Auch er verliert sich in den Songs. Er ordnet sich einer Stimmung unter, fühlt sich da rein und zerfällt auf der Bühne zu Aggression. Diese Aggression transportiert er mit einer Zerstörungswut, die es so selten im Pop, ja wir reden hier nicht von New Wave oder Gothic oder Rock, zu finden ist.
Ein toller Abend mit tollen Bands. So düster wie die immer tun, sind die gar nicht. Popmusik hat halt immer noch unzählige Facetten, da braucht man nicht neu Genres erfinden. Wenn es einen Sieger geben muss, ist es wohl Former Ghosts. Allein schon für das bunte Mom-Tattoo auf dem Oberarm.