Warpaint – The Fool

Man muss schon mit dem richtigen Bein aufgestanden sein. Warpaint bieten nicht leicht zu konsumierende Musik. Emily Kokal umreißt viele Dehnübungen und Spitzen, die schon mal das Ohr auf eine Probe stellen. Ihre Musik dazu ist schwelgerisch, mitunter sogar kraftvoll, hängt aber auch schon mal in der Wüste fest. Ihre Münder scheinen sehr trocken zu sein.
Mit geschlossenen Augen wird Epik in den Postpunk getragen, der gerade wieder aktuell zu sein scheint. Wie ein Kopfkino ohne Drehbuch schwingen sich die Songs auf deine Festplatte. Improvisiert wird ohne Publikumszurufe. Die Drums wirbeln mehr, als das sie spielen. Die Gitarren säuseln und bieten Proberaum-Romantik. Dunkel, ja fast spooky sind die Songs angelegt. Manchmal drehen sich die Stimmen um sich selbst und The Cure leihen den Mädchen ihre Pickings. Nein, Wave oder sogar New Wave ist eine andere Liga. Auch eine Cat Power der frühen Tage würde sich das auf ihren iPod ziehen. Obwohl die damals mehr an Songs interessiert war, als die Warpaint-Girls heute.

Wie Tagträumerinnen versuchen Warpaint sich zu konzentrieren. Immer wieder kommen ihnen so Gedanken. Fetzen. Oder Moods. Sie vermitteln eher ein ungutes Gefühl, eine Verzweiflung, die sich immer mehr steigert, bis auch das Schlagzeug nicht mehr wirbeln kann. Auf den Korridoren der Hotels dieser Welt fahren Mädchen Dreirad. ‚Undertow‘ versucht, eine klare Linie zu ziehen. Fast wie ein Rocksong mit Feenhut und Irrgarten-Refrain. Die Bassdrum bleibt in gebückter Warteposition. Wann endlich kommt die Sonne raus? Wann kommt das Glück? Oder die Lebenslust?

Warpaint stecken zu tief in ihren Songs, zu tief in ihren Körpern. Gewagte Gesangsversuche und kurz angerissene Gitarrenfiguren paaren sich zu kleinen Monstern mit Zöpfen. Das ruhig gelegte ‚Baby‘ klaut unverblümt George Harrisons ‚Long, Long, Long‘. Das Lagerfeuer bietet die einzige Möglichkeit, noch einmal zusammen zu sitzen, sonst sind die Girls eher für sich allein. Einzelkämpferinnen, die mit Taschentüchern winken und Folk- und Punkplatten ins Feuer werfen. Ich weiß nicht, mit welchem Bein ich aufgestanden bin. Nein, jetzt weiß ich es. Ich liege noch. Mach den Vorhang auf! ‚The Fool‘ polarisiert. Das hat doch auch Qualität. Doch wo stehen denn jetzt die Mädels? Immer noch am Gartenzaun, doch das Törchen ist zu. Ich muss aufstehen, um sie hereinzulassen.
Erschienen bei Rough Trade

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