Wo soll man anfangen? Bei der Gästeliste? Beim Cover? Bei den Coverversionen? Bei Roxy Music? Bryan Ferry meldet sich 2010 amtlich zurück. Das kann man schon mal ins Protokoll kritzeln.
Bryan Ferry legt acht Eigenkompositionen vor und zwei Coversongs. Tim Buckley wird geküsst und Traffics „No Face, No Name, No Nummer“ bekommt neuen Glanz und Ruhe. Ferry croont gekonnt wie eh und je. Sanft mit kühler Arroganz versteckt er sich zunächst hinter dramatischen Songs, die durch die Mitmusiker ständig funkeln. Und dann taucht er aus der Versenkung auf und gibt den Dompteur und Zirkusdirektor in einer Person. Sein Umhang umhüllt seinen weißen Smoking. Jetzt ist er im Vordergrund, jetzt stemmt er sich gegen alles und jeden. Jetzt wird er das Mikro nicht mehr los lassen. Er wird immer lauter, manischer, geiler.
Fleas Bass hüpft gekonnt trocken in der Gegend rum. Ein Zuarbeiter mit Drive und Empathie. Eine kleine Roxy Music-Reunion gibt es auch zu bewundern. Brian Eno zaubert seit langem mal wieder wunderbar schliffige Synthies. Manchmal hört man fast gar nichts mehr, da alles zu funkeln scheint und das Ohr ist geblendet. Das spricht für „Olympia“. Alles sitzt am richigen Platz. Der Teppich ist ausgerollt. Die Party ist bestellt. Die Getränke sind kalt gestellt. Erst wenn Ferry geht, ist es vorbei. Der Club ist mit tollen Girls gefüllt, die sich um den schwitzenden Ferry drapieren. Jungs sind für die Getränke zuständig. Reden darf nur der Meister. Er gibt den Sexgott und überlässt den Stimmen- sowie Brustumfang den Backgroundsängerinnen. Er trinkt Schampus aus den High Heels der Damen und küsst Kate Moss Backstage. Ja, Kate Moss ziert das Cover des Albums und wirkt seit Jahren mal wieder, wie dafür geschaffen, ein Aushängeschild des Pomp zu sein. Vergessen sind schmuddelige Pete Doherty-Phantasien.
David Gilmour lässt seine Gitarre in den Himmel steigen und die Scissor Sisters geben Ferry seine Männlichkeit zurück. Hatte er sie jemals verloren? Am Ende gibt er noch einmal den Barhocker. Doch geschmeidig, nicht hölzern. Er wirft sich schon mal in die Dekoration. Er gibt den Unrückbaren, den Hochstapler ohne Absicht. Kaputt, nach einer langen Nacht zieht ihm das Morgenlicht die Krawatte aus. Wunderbar.
Der beste Song des Albums ist das in die Höhe flirrende „Me Oh My“. Ein Wahnsinns-Song. Ferry behält immer noch Stil und hat endlich mal wieder sehr gute Songs im Gepäck, die mit all ihrer Tiefe und den Aftershaveduft der Erfahrung nur so vor Eleganz sprudeln. Tolles Album, toller Typ. Ferry bleibt der Vorzeigedandy, der immer noch nach dem Sex seine Ringe zurecht rückt, einen Blick in den Spiegel wirft, sich durch die Haare fährt und ein Goodbye murmelt, obwohl er weiß, dass es kein Wiedersehen geben wird. Er bleibt ein Reisender. Klasse!
Erschienen bei Virgin (EMI)