Belle and Sebastian – Write About Love

Vier Jahre sind vergangen. Vier Jahre, in denen man sich an den BBC Sessions oder dem Projekt God Help The Girl abarbeiten konnte. Doch die eingefleischten Fans griffen dann wohl lieber zu den alten Alben. Nun sind Belle and Sebastian wieder zurück und verfeinern ihren Barock-Britpop mit Soulanleihen und flötenden Indiepophymnen.

Wie schon zu Anfangstagen schimmern die Songs in der Abendsonne. Das Pint wird mit Freunden geteilt. Jedes Vögelchen bekommt einen Spitznamen und wird aus den Käfigen dieser materiellen Welt befreit. Das leicht Verschrobene ist ja leider schon vor Jahren aus den Songs gewichen. Die Songs sind im Laufe der Zeit immer amtlicher und größer geworden. Das lag nicht am Songwriting, sondern an der Produktion. Auch Stuart Murdochs Stimme ist nicht mehr so neben der Spur. Schade, das mochte ich immer so gerne. Natürlich ist er immer noch der Haucher und Verrückte, der aufmerksam durch die Welt spaziert und immer noch liebt er es viele Worte in Zeilen unterzubringen, die wie aus Zauberhand auch da reinpassen, doch früher eierte er schon mal und verzettelte sich. Sein Gesang klang wie ein Klagen oder Heulen. Dünn produziert. Heute hat er immer noch keine „dicke“ Stimme, doch er hält lockerer die Töne und bricht nicht bei jedem zweiten Wort in Tränen aus.
Das Licht hat irgendwann Trevor Horn angemacht und nun sehen sich die Belle and Sebastians gerne im Hellen. Manche Kleinode werden so natürlich groß gerührt. Nicht immer schmeckt das Ergebnis, doch schlecht ist es auch nicht. Der Sixties-Flair steht immer noch unter Sonnenschirmen, die schnell zu Regenschirmen umfunktioniert werden können. Das Wechselspiel der Stimmen bleibt nach wie vor ein Markenzeichen. Oft verschwimmen die Gesänge, das Boy meets Girl-Gesäusel trägt die Songs in zuckrige Beatabende, die kurz nach dem Tanztee aufbrausen, wenn die Erwachsenen sich in ihre Gemächer zurückgezogen haben, um den teuren Whisky aus der Kommode zu angeln.
Twee-, Jangle- und Kindergartenpop vereinen sich zu einer Singalong-Börse, deren Reißverschluss schon mal scharfe Zähne und die letzten Geldscheine gefressen hat. Der Traum eines Musicals fliegt durch meinen Kopf. Die Liebe steht im Mittelpunkt. Die depressiven Momente weichen den Überschwänglichen. Blumenkinder haben verdreckte Kleider an. Musical, weiche von mir!
Stuart Murdoch bleibt ein charismatischer Frontmann, der das Spiel mit den großen Gefühlen locker beherrscht. Seine Mitmusiker tummeln sich immer locker im Hintergrund, sie unterstützen ihren Sprecher mit weichen, fast schon muckigen Ausführungen. Norah Jones taucht kurz auf und gibt der goldenen Ballade „Little Lou, Ugly Jack, Prophet John“ den Soul, der dir Nachtfahrten erträglich macht und das Radio mit Jingles nervt. Die Orgel perlt, die Gitarre zickt und färbt deine Jeans in dunkelblau. Die Drums halten das Tempo und spielen locker jede Pause mit Gewissenhaftigkeit. Carey Mulligan stolziert herein und küsst Murdoch mit naiver Unbekümmertheit. Alles schon mal da gewesen. Kurze instrumentale Ausschweifungen zeigen den Fortschritt der Glasgower.
Immer noch sind die Aussenseiter und Teenies der Ausgangspunkt der Geschichten. Parolen wie „Kündige deinen Job, denn du hast keine Zeit mehr für Liebe!“ bleiben charmant. Belle and Sebastian machen hochkarätigen Schlager. Für einen kuscheligen Uno-Spieleabend reicht das. Für mehr aber auch nicht. Einsortieren zu den Platten mit den schönen Covern.
Erschienen bei Matador

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