Braucht Carl Barât Peter Doherty? Lange Zeit schien es so. Nach der Auflösung der Libertines, die ohne Doherty, der von Barât rausgeworfen wurde, da er Wertgegenstände aus dessen Wohnung klaute, um sich Drogen zu kaufen, keinen Pfund mehr Wert waren, blieb der kurze Ausflug in eine neue Band ein Flop. Die Dirty Pretty Things lösten sich kurz nachdem ihr zweites Album erschienen war auf. ‚Was nun?‘, wird sich wohl Carl Barât gedacht haben.
Er schrieb Songs und eine Autobiographie. Schrecklich, dass alle ihr Leben für so wichtig und spannend halten, dass sie das veröffentlichen müssen. Hier werden eh alle nur den Teil mit Doherty lesen. Die Kindheit eines Carl Barât wird wohl weniger interessieren. Schwamm drüber. Die neuen Songs sind geil. Carl Barât meldet sich wieder erstarkt zurück. Oder lag es an der Libertines-Reunion des Sommers? Hat Pete ihm gut zugeredet?
Das Solodebüt ist ein wirklich großer Wurf, der beweist, dass Barât ein begnadeter Songwriter ist und ein guter Sänger obendrein. „The Magus“ hat diese Größe. Fast wie ein viktorianisches Musical angelegt, kommt das Album theatralisch in Fahrt. Immer wieder kehrt das Theatralische zurück und erdet Barât. Der Crooner schlummert im Matrosenpulli. Die Zigarette brennt und Barât gibt den Loserlover. Er gesteht alle Fehler ein. Das Bühnenbild wird von Hand geschoben. Auch das nur kurz französisch anmutende „Je Regrette, Je Regrette“ hat Tiefe, die man von Carl Barât nicht erwartet hätte. Die Upbeat-Nummer geht sofort in eine fesche Richtung. Sehr cool. Wunderschönes Piano. Catchy! Auch der Frauenchor betört.
„She’s Something“ klaut alles ein wenig. Ein bisschen Crimson and Clover, ein bisschen Paul Weller. Die Mods werden darauf abfahren. Die Refrains sind sahnig und todtraurig zugleich. Die Bläser in „Run With The Boys“ holen dich endlich ins Fanboot. Der Beat, der an „Town Called Malice “ erinnert lässt dich jubeln. Carl Barât kommt nach Hause. Er tritt aus Dohertys Schatten. Er ist nicht der Paul McCartney der Neuzeit. Barât wird zur Galionsfigur. Mal sehen, was Doherty nun nachzulegen vermag.
Die theatralische Umsetzung der sixtiesbeeinflussten Songs steht Barât ausgezeichnet. Gegen Ende des Albums bekommt das Orchester seine Chance und es nutzt sie. Ein Kleinod wird zur Liebeserklärung. Eh sind am Ende die Songs ruhiger und fast introvertiert. Ein selbstreflektierendes Debüt, das unglaublich Spaß macht. Glückwunsch Herr Barât! Ich bin Fan. Mod-Platte des Jahres!
Erschienen bei Pias