Antony arbeitet mit Wucht. Seine Stimme gibt dir den Liebestrank, das Gift und die Tränen. Wie ein Vögelchen, das gerne ein Adler wäre, sitzt Antony auf dem Felsen der Avantgarde. Die Flügel sind von Tierquälern gestutzt worden und doch breitet Antony die Arme aus und versucht zu fliegen. Er fällt, doch genau das wollte Antony doch. Fallen. Um sich dann wieder selbst zu fangen.
Er braucht nicht viel. Einige getupfte Töne, die natürlich immer schon da waren, doch Antony schafft es immer wieder, neue Facetten und Farben hinzu zu zaubern. Die Kammermusik bleibt warm und fern von Kitsch. Das Titelstück gibt vor zu zerfallen. Die Gitarre dröhnt, schwillt an. Der Song ist wie ein Mammut mit geölten Hörnern, die dir ins Fleisch stechen, wenn das Piano mit eingreift. Die Stimme zeigt sich in Echos und Kraut. Antony lässt nun den Songs viel mehr Raum als noch auf den Vorgängerplatten. Er zieht sich manchmal sogar hinter die Musik zurück und lässt die Töne flattern. Eine Gitarre darf ein Thema zupfen, während Antony um sie kreist und fast von der Bildfläche verschwindet. Er begibt sich hinter den Vorhang und versteckt sich fast. Will er nicht mehr gesehen werden? Vielleicht nicht mehr als das, was die anderen in ihm sehen. Vielleicht will er nun wieder mehr aus seiner Haut fahren, doch nochmals den eigenen Spirit überdenken. Natur und Existenz sind da nur Anspielungen.
Die Streicher schwingen, lassen den Geruch und Geschmack der Worte noch intensiver werden. Antony ist immer an Theatralik interessiert. An Romantik und Schöngeist. Seine Tiere huschen durch die Stücke und lassen deine Haut zusammenziehen. Die ruhigen Klavierpassagen bekommen nur Wind als Unterstützung. Ein Thema wird einfach bis zur Schärfe aufgedreht, so dass dir die Augen brennen. Ganz nah erscheint dir Antony nie, obwohl er alles versucht. Wie in einem nebulösen Traum huscht Antony durch die Kopfkissen unserer Schlafzimmer und zwickt uns kurz, aber nicht um uns aufzuwecken, sondern um uns noch empfindsamer zu machen.
Die Flüsse sind reissend, die Berge unglaublich hoch. Antonys Stimme begleitet sich selbst. Wen soll sie auch sonst begleiten? Antony macht nicht Musik für dich, sondern für sich. Pompös, doch mit kleinen Versatzstücken des Erzählerischen schafft Antony eine eigene Welt, der man sich nur schwer entziehen kann. Der Pop ist nur am Rande anwesend. Eigentlich will er gar nicht in die Stücke. Er wehrt sich fast krampfhaft. Ein Snareschlag ist vielleicht das Poppigste, das dich erwartet. Die Songs haben aber natürlich eine gewisse Eingängigkeit, die aber nie in Refrains endet, sondern eher eine Gospel- oder Mantraart verfolgen.
Wenn in „Thank You For Your Love“ die Bläser aus dem Nichts dazustoßen, sitzt man auf einmal in einem großen Bett mit kuscheligen Kopfkissen. Du drückst sie kurz und riechst an dem Bezug. Es könnte das letzte Gefühl des Daseins der Liebe sein. Ein Dankeschön kann nicht ergreifender vorgebracht werden. Antony bleibt also bei seinen Leisten. Er perfektioniert sein Anliegen noch einmal und hat mit der bezaubernden Björk eine amtliche Partnerin an seiner Seite, die mit ihm zusammen die Vogelhochzeit zelebriert. Wunderbar und voller Poesie und Größe. Das Piano steigt in den Himmel. Björk bietet endlich mal wieder eine Glanzleistung. Gut, mit den Dirty Projectors war sie auch schon nah dran. Doch hier lässt sie mir Tränen in die Augen schießen. Das Duett des Jahres.
Swanlights ist ein Brocken, doch in seiner Größe erdig und angenehm. Die tirilierenden Flöten in Salt Silver Oxygen geben der Operette neue Strahlen. Wasser, Feuer, Erde, Wind und Antony gibt den Zeremonienmeister. Er bleibt ein Träumer und Visionär zugleich. Er schert sich nicht um Trends. Warum auch? Er fällt doch… Meisterwerk!
Erschienen bei Rough Trade