Verstoßen fühlen sich die sechs von Effi Briest nicht, aber so richtig zu Hause auch nicht, obwohl ja Brooklyn für viele als Spot gilt. Die kreative Masse kann schon mal lähmen und einen zu Fluchtgedanken hinreißen lassen. Die Frauen tingeln zwischen den Schaukelstühlen hin und her. Da sind einige Referenzen, die sie zugeben müssen, ob sie wollen oder nicht. Das ist wohl ihr Anliegen. Sie halten den Konsumenten den Spiegel vor. So sehen Musikkritiker aus, immer auf der Suche nach Verweisen und Erklärungen. Sie selbst stehen auch ständig vor dem Spiegel und sprechen Sätze wie: „Werner Herzog hat ja nicht umsonst Popol Vuh ausgewählt.“ Die Idee von freier Krachimprovisation mit knüppeldicker Psychedelic-Fahne und Nico-Charme ist ihnen also nicht zufällig in den Schoß gefallen. Obwohl man das wohl nicht beweisen kann und das auch unwichtig ist. Hier geht es nicht um das Ei. Effi Briest wissen um diese Thematik und umso schneidender wird ihr Klang und um so länger ihr wildes Wiederholen der Bridgeparts. Brücken ins Nirgendwo.
Lange Schatten verfolgen sie. Jeder will genannt werden. Jeder will der Erste gewesen sein. In der Schlange wird geschubst. Siouxsie macht ihr gruseliges Gesicht und John Lydon den Ziehvater mit der grotesken Idee von einer Tanzfläche im eigenen Gehirn. Die Slits verstecken ihre Brüste vor so viel Unbekümmertheit und halten gleichzeitig ihre Hände auf. Jeder will noch mal abkassieren. Und die Krautrocktypen staunen besonders, da nun Frauen auf ihrem Gebiet die längste Zigarette der Welt kreisen lassen.
Effi Briest geben sich redlich Mühe. Sie benutzen alle Versatzstücke der letzten Jahrzehnte und schreiben Post davor. Sogar vor das Wort Space setzen sie es. Wer hätte gedacht, dass eine Band wie Effie Briest überhaupt noch existiert? Jedes Kellerloch in Brooklyn orientiert sich doch in Richtung Pophit und Erneuerung der Genres. Die Mädels treten still und leise auf der Stelle und doch klebt an ihren Songs der Dreck der letzten dreißig Jahre. Da muss doch der Rückspiegel täglich sauber gemacht werden. Das Düstere und das in brodelndem Gewabber taumelnde Endprodukt lassen einen mit offenem Mund zurück. Die Songs suchen die Schmerzgrenze. Sie sind untheatralisches Theater. Der Holzhammer sucht jedes Fünkchen Schönklang und zerschmettert diesen unbekümmert und ohne Klagen. Die Rhythmen wechseln sekündlich.
Die Siebziger Jahre sind in Deutschland und in London stilprägend. Effi Briest haben das Europa-Ticket. Sie suhlen sich in der Kunstposse und in der Extreme. Lose Songstrukturen werden zu hypnotischen bassigen Ungetümen und Kelsey Barrett gibt ihren Senf dazu. Mittelscharf. Manchmal klingt Barrett als würde sie ihre Sätze sofort selbst interpretieren, ohne mit der Musik zu kommunizieren. Alte Can-Platten werden mit den Nägeln zerkratzt. Effi Briest geben einem eine heftige Aufgabe. Nicht immer ist die Lösung die Richtige und nicht immer macht das auch noch Spaß. Effi Briest ziehen Zähne und vielleicht werden sie doch noch verstossen. Meine Hand würde ich für sie nicht ins Feuer legen, sie würden vielleicht sogar daran knabbern…
Erschienen bei Blast First Petite