Mountain Man – Made The Harbour

Die Trappermütze fusselt. Der Bohnenkaffee schmeckt nach Tigerpisse. Aua, schon wieder über eine Wurzel gestolpert. Was klingt da nach Zimmerlautstärke? Ach, Mountain Man proben! Das Trio Molly Erin Sarle, Alexandra Sauser-Monnig und Amelia Randall Meath lassen die Bänder rauschen. Unverstärkt singen sie sich in Höhen, wo die Luft knapp wird. Eine akustische Gitarre untermalt Acapella-Folksweisen. Das Gerede der „Neuen Folkbewegung“ interessiert die drei nicht. Sie gehen lieber den alten Schotterweg zurück und lassen jeden Hypeverdacht hinter sich.
Die sparsamen Arrangements leben von der halligen Liveatmosphäre. Ähnlich vielleicht wie bei Au Revoir Simone, nur vor ungefähr zweihundert Jahren. Man muss schon genau zuhören. Vielleicht sollte man liegen. Intimität entsteht durch das volle dreistimmige Programm. Alle drei Stimmen schieben sich zu einem Ganzen zusammen, so dass das Gitarrenpicking in den Hintergrund rückt und nur das Hin und Herrutschen der drei in ihrem Schneidersitz noch als Störgeräusch aufgefasst werden kann. Die Folkminiaturen sind trotzdem wild. Gibt es noch einen Unterschied zwischen Folk und Country?
Das Säuseln und die leicht angezerrten Stimmen, da die Mikros so weit aufgezogen werden mussten, legen sich mit einer Unbekümmertheit auf den Heuboden. Ach, was sag ich da! Ein Mikro wird gereicht haben. Hocken ja alle im Kreis und halten sich an den Händen. Mountain Man haben auch den 40er Jahre Boogie Woogie auf den Lippen. Sie erinnern an friedfertige Andrews Sisters, ohne dem Fliegeralarm im Rücken. Nur Gänsenblümchen und die Suche nach neuem Feuerholz lassen die Herzen der drei höher schlagen. Die Texte umreißen Flüsse, Honigbienen und Tierflügel. Dass das alles auch einen religiösen Touch mit sich bringt, stört nicht. Die kurzen Unterhaltungen während der Songs und das Knacken der Gelenke sind wahnsinnig präsent und steuern das Debütalbum in den Folkhimmel.

Mountain Man

Das wohl amtlichste Folkprojekt des Jahres. Babylon ist nicht weit. Diese ruhige Schönheit mit manchmal leicht vergriffenen Gitarrenakkorden schunkelt sich mit einer Leichtigkeit in deine Herzkammern. Der chorale Ansatz lässt dich zittern und du horchst gebannt der Melodieführung. Das Lagerfeuer ist aus. Es wäre auch zu gefährlich. Wenn es dunkel wird, geht man schlafen. Traditionen ohne Bourbonbettschwere werden gerne wieder gesehen. Sauberkeit und frisch gebügelte Blusen und geflochtene Zöpfe sind wieder im Kommen. Die Schmuddelkinder sitzen in der Kirche in der letzten Reihe.
Mountain Man überqueren die Berge locker und singen immerfort. Die Carter Family schnürt das Brotzeitbeutelchen und Eddy Arnold schmettert seinen „Cattle Call“. Dass das Album bei einem Freund auf dem Dachboden einer ehemaligen Eisfabrik aus dem frühen 20. Jahrhundert aufgenommen wurde, ist nur am Rande interessant. Obwohl, vielleicht sind es ja die Geister der Maschinen, die zwischendurch rascheln, rauschen und knacken und sich gegen so viel Wärme wehren?
Erschienen bei Cooperative Music/Universal

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