Sleigh Bells – Treats

Wenn der Postmann fünfzigmal klingelt. Die Sleigh Bells klingeln Sturm. Der Beat knallt dir mit ordentlich Wumms ins Gebälk, die Gitarren ziehen es vor laute Störgeräusche zu produzieren. Alexis Krauss hebt dann die Arme, und fängt an uns vollzutexten, ohne im Hip Hop verankert zu sein. Doch sie weiß, was zu tun ist. Riffgeballer braucht eine Wortführerin, die nicht nur mit Stimme, sondern mit vollem Körpereinsatz zur Sache geht. Die Synthies ziehen lange Fahnen, immer mit dem Blick uns Raveverdrossenen die Steigerung wieder ans Herz zu legen. Fahrstuhlmusik mal anders. Alles wird nach oben gezogen, an die Grenze, auf den Aussichtsturm, um dann oben angelangt den Ameisenmenschen auf den Kopf zu spucken. Derek E. Miller mosht über alles drüber und die Beats bleiben mechanisch wild. Alles klingt kurz nach Auflösung oder dass gleich die Boxen durch sind.  Krauss ist eine Shouterin, ohne groß laut zu werden. Sie bleibt in der Popsozialisation hängen, nur ihre eigenen Backings schreien schon mal Le Tigre aus dem Sommerloch. In dem kurzen „Straight A’s“ mimt sie die Furie und brüllt sich die Kehle blutig. Noise Pop soll das heißen. Ja, okay!
Auf jeden Fall erspielten sich die Sleigh Bells in letzter Zeit eine tolle Indiefangemeinde. Die darf sich nun auf ein Debüt stürzen, dass alles unter einen Hut bringt. Millers große Beatkrachgebilde untermalen sein Riffgedrosche und Krauss macht die Teeniegöre, die sich nicht entscheiden kann, ob ein neues Tattoo oder ein Hello Kitty-T-Shirt her muss. Erinnert an Atari Teenage Riot ohne deren Tempogezocke. Die Sleigh Bells wollen lieber auf der Tanzfläche dem Hip Hop huldigen und streuen Pet Shop Boys-Linien in den Krach. Krauss singt mit einer Stereolab-Leichtigkeit und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Nicht von einem Ibiza-Trance-Schleier, noch von Posthardcore-Gekloppe.
Sleigh Bells
Miller hat alles schön arrangiert, die Playbacks sitzen und so können die beiden auf den Festivalbühnen dieser Welt locker bestehen. Sexy Gestöhne und Atemlosigkeit sind nur von kurzer Dauer. Die Sleigh Bells reißen lieber nur etwas an. Zu Ende denken müssen wir die Kleinode, die sich ungemein laut durch die Boxen würgen schon selbst. Mutti, tu dir was in die Ohren!
Die Sleigh Bells sind eine schöne Dance- Punk-Combo, die Wert auf Verdichtung durch Alexis Vocalarbeit legt. „Rill Rill“ ist sogar ein Stolpersouler, der so auch in der Frühstückspause auf den Teller kommen könnte. „Infinity Guitars“ strotzt nur so mit Beastie Boys-Gehopse. Ja, alles schon mal dagewesen, doch die Verknüpfungen und der poppige Unterton machen Sleigh Bells zur Band der Minute. Genau richtig gelesen. Der Titeltrack versucht hymnenartig den Verzerrer vergessen zu machen und die Gitarren spielen die Sirenen des nächsten Feueralarms nach. Alexis Krauss bleibt das geile Aushängeschild im Noise Pop. Komm stöhn mit mir!
Erschienen bei Mom & Pop Music

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