Der Wedding-Planner hat Omar Souleyman gebucht. Der Braut fällt fast das Tortenmesser aus der Hand. Sie hatte zwar gesagt, dass sie gelegentlich auch mal Weltmusik hören würde, doch dass syrische Musik nun durch die Boxen knallt, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Ihre Schwiegermutter schüttelt nur den Kopf, doch ihr Sohn zieht sie auf die Tanzfläche, wo komischerweise schon sehr viele Hochzeitsgäste warten. „Das ist mal was anderes“, hört man es überall murmeln. Omar Souleyman gibt den Geschichtenerzähler und sein DJ knüppelt sich im Höchsttempo durch syrische Dabke-Musik, bei der man Schulter an Schulter tanzt. Ein Souffleur flüstert Omar die Texte zu und der dreht sich im Kreis und verbreitet Stimmung. Das Brautpaar wird in höchsten Tönen gelobt. Die Hochzeitsgäste sind aus dem Häuschen.
Bob Dylan sitzt hinten an einem Katzentisch und ist sauer. Da hat doch dieser Omar schon 600 Veröffentlichungen draußen. Bei Bob dachte man immer: „Wahnsinn, was der so alles raus haut. Den kann man nie übertrumpfen.“ Pech gehabt, Bob!
Die Hochzeitsgesellschaft wiegt sich nun im straighten Beat der Musik. Die Inseln, von denen Omar singt, müssen nicht mehr unentdeckt bleiben. Omars Tränen können Steine schmelzen lassen. Sein Wissen ist wie der Zucker im Tee. Der Billobeat der Keyboards trägt die Songs aus ihrer Fassung und der Livecharakter der Stimme des Hochzeitssängers, die über allem schwebt und die arabischen Instrumente, die sich untermischen, schaffen den Sprung aus dem Schattendasein und hüpfen in den Popkosmos. Euro-Dance war gestern. Das weiß zwar Omar noch nicht, doch er lässt sich nicht beirren. Er kommt ja auch nicht aus Europa. Nur weil wir die falschen Acts ertragen mussten, heißt das noch lange nicht, dass das Grundgefühl und die erzeugten Emotionen mit diesen Mitteln die Falschen wären.
Ganz viel Licht fließt durch die Stücke, die selten einen eigenen Höhepunkt besitzen, sondern von der tranceartigen Wiederholung leben. Frenetisch pumpen sich die Beats in die Beine und der Wüstensound deiner unbekümmertesten Vorstellung nimmt Gestalt an. Auf einmal macht alles Sinn, alles ist stimmig. Der Gesang, der immer nur an der Form des Singens kratzt, eher versucht zu kommentieren bekommt eine Präsenz, die sich so mancher Künstler wünschen würde. Die Hochzeitsfeier erhält einen ganz neuen Blickwinkel und Glanz. Die Gäste tanzen und lassen die Sau raus. Omar steht vor seinem Publikum und versteckt seine Augen hinter dunklen Brillengläsern. Er weiß, dass er alles richtig gemacht hat, als er Mitte der Neunziger Jahre den Weg des Hochzeitsängers gewählt hatte.
Also an alle Hochzeitssänger und Keyboarder dieser Welt! Nehmt euch mal ein Beispiel an Omar und nutzt alte Instrumente für einen Neuanfang. Nicht die Coverversion ist der Hit, sondern der Hit. Spielt euch in die Herzen der Menschen, die ihren schönsten Tag des Lebens erleben möchten. Und gebt euch Mühe. Herzblut könnt ihr bei Omar abzapfen. Er hat genug davon.
Erschienen bei Sublime Frequencies