The Divine Comedy – Bang Goes The Knighthood

Nostalgie durchwühlt dein Haar. Der Zylinder sitzt schon lange nicht mehr gerade auf deinem Haupt. Die Dramatik lässt dir wenige Ausflugsmöglichkeiten. Das Varieté wäre eine Möglichkeit, die zugerauchte kleine Kaschemme am Ende der Stadt oder doch der Flohzirkus? Neil Hannon ist der Zampano, der Gaukler, der Mann am Tresen, der dir ungefragt nachschenkt.
Scott Walker schlurft gedankenverloren durch Hannons Kompositionen. Popmusik ist Hannons täglich Brot, er versucht seit Jahren den ultimativen Entwurf zu fertigen. Mal gelingt es, mal verstrickt sich Hannon in den „Good Old Days“. Doch das ist nicht so schlimm. Denn früher war ja des öfteren vieles bunter und verrückter. Man musste noch lange buhlen, um unter die Röcke der Damen zu luschern. Doch dann war alles „nature“.
Das Musical ist nicht nur für die dummen Trutschen. Der Taschentuchwurf nicht immer das Zeichen der Selbstaufgabe. The Divine Comedy spielen ihr Dandytum mit großem Kleinkunstgefühl. Alle Songs sind vollgestopft mit Instrumenten, Parts und Ausflügen. Hannon durchläuft mehrere Stationen, wie ein Marathonläufer. Wasser wird zu Champagner. Seine Texte liegen ihm auf der Zunge, manchmal pfeift er sie auch. Die schöne Finanzkrisenminiatur kommt locker aus der Mittagspause und Hannon mimt den „Complete Banker“. Ja, Geld regiert die Welt!
the divine comedy
Doch die Liebe ist Neils Steckenpferd. Mit dem Charme eines Vaudeville-Dramaturgen stolziert er durch seine Kaleidoskope und holt die schwülstige Burt Bacharach-Melancholie ans Tageslicht. „Have You Ever Been In Love?“
Auch Scherze und Augenzwinkern huschen über die Songs. Kleine Frivolitäten werden gerissen, ohne zotig zu klingen. 90iger Discobesuche mit den Althelden Morrissey und Cure werden noch mal wiederbelebt. Weißt du noch als wir zu den Pixies getanzt haben? Wir hatten immer den selben Tisch hinten in der Ecke. Ach, waren das Zeiten.
The Divine Comedy finden wieder tolle Bilder und Worte. Die Musik bleibt in der poppigen Großspur. Zeitlos und mit einem Hauch Spleen. Neil Hannon muss nur aufpassen, dass seine Träume nicht bald zerplatzen, denn er bewegt sich seit Jahren auf der selben Welle und das könnte nach hinten losgehen. Vielleicht wird das alles irgendwann langweilig. Vielleicht. Doch genau jetzt und heute macht „Bang Goes The Knighthood“ unglaublichen Spaß. Man tänzelt mit Hannon, man weint und lacht mit ihm. Das weiß er auch und so ist sein Oscar Wilde-Syndrom auch in guten Händen. Der Zyniker spielt weiter auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Wir lassen ihn noch ein bisschen und reichen ihm zum Abschied den Spazierstock und Hannon gibt den Sinatra, den Gentleman mit offenem Hosenstall. Pop kann so leicht sein…
Erschienen bei Divine Comedy Records/Rough Trade

0 Gedanken zu „The Divine Comedy – Bang Goes The Knighthood“

  1. Sehr schön, dass solch Meister-Pop hier freundliche Erwähnung findet. Ja, man kann Hannon vorwerfen, er zeige keine Entwicklung, aber wer weiß, dass die 70er noch immer einen großen Schatz skurriler Melodie-Geschmeide beherbergen, der teilweise noch nicht gehoben ist, läßt ihn einfach weiter machen, um uns mit seinen Kompositionen immer wieder neu die Kunst der Miniatur-Operette vorführen zu lassen.
    Dabei ist seine 2. Kombo weitaus mehr dem Retrostil und der ironischen Geste zugetan:
    The Duckworth Lewis Method
    Eine Entdeckung jenseits spröder Chart-Elektrik…

  2. Danke für die netten Worte. Ja, Hannon bleibt der Großmeister des Arrangements. Seine Songs wachsen eigentlich bei wiederholtem Hören. Doch zu viel Zuckerwatte macht irgendwann Bauchschmerzen, doch ich esse unbeirrt weiter… Danke für den Duckworth-Link!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.