Sleepy Sun – Fever

Sleepy Sun setzen da an, wo sie im letzten Jahr aufhörten. Die Gitarren schichten sich zu einem prolligen, psychedelischen Brett und die Stimmen verlieren sich in einem Fleetwood Mac-Kosmos, in dem Patchouli zum guten Duft gehört. Der Opener verrät schon alle Tricks von Sleepy Sun. Der Progrock kommt nach Hause und bekommt weiche, sphärische Vocals zum Abendbrot. Die Gitarren bratzen und flirren durch Kaliforniens Traumsonne, der Surfer sucht nicht nur nach der perfekten Welle, sondern auch nach dem nächsten Bong.
Die Songs tragen lange Bärte, obwohl die beim Teekochen immer wieder im kochenden Wasser landen. Sleepy Sun spielen ihren stratosphärischen Rock luftig runter. Oft klingen die Gitarren nach einer Hippieband mit Monster Magnet-T-Shirts. Die Drums poltern schon mal wild mit viel Gecrashe durch die Nacht. Die Gitarren spielen Poltergeist auf der Tabulator und der Süßholzgesang bleibt verhuscht in der Grauzone zu Nerdtum.
Natürlich tauchen auch diese Boy/Girl-Motive auf, wenn sich die beiden Stimmen von Rachel Fannan und Bret Constantino auf der Lichtung treffen. Das Folkgerüst bleibt die Weste und die Fransen sind aus Psych-Rock mit vielen angesengten Zwischenstücken. Das Album ist voll mit verschiedenster Herangehensweise. Warum sollte eine Band wie Sleepy Sun nur im amerikanischen Sumpf Gefangene machen? Sie schauen auch gerne über den Teich und haben Schlachtpläne, wie man Gewässer ohne Aufsehens überqueren kann. Ein Boot wäre zu laut, das Kanu zu kraftintensiv, das Schlauchboot zu kindisch. Mmmmh, da muss man wohl das altbewährte Brustschwimmen auspacken.
Sleepy Sun
Alles fügt sich zu einem großen Tempel zusammen, der nur Barfuß betreten werden darf. In der Mitte hocken Sleepy Sun und lassen ihre Gitarren kreisen. Jedes Grateful Dead-T-Shirt wird in die Mitte geworfen und verbrannt. Die Mädels tragen Blumen im Haar und rasieren sich seit Neuestem nicht mehr die Beine. Sleepy Sun schauen gerne zurück. Sie daddeln gerne in alten Versen und Soundgebilden. Ekstase ist das Stichwort. Sleepy Sun schaukeln sich hoch, ohne den Holzhammer bemühen zu müssen. Dass sie dabei manchmal das Songwriting vergessen, sei ihnen verziehen. Es geht um eine Stimmung und nicht um einen Akkordwechsel.
„Desert God“ bricht wunderschön auf und holt eine CCR-Mundharmonika aus dem Schlafsack. Da geht dem Altrocker doch die Jeans auf. John Fogerty wird wohl zustimmen, dass man das so nicht besser machen kann. Die fliegenden Gitarren von „Open Eyes“ und die Phaser-Stimme von Constantino heben das Stickgewirbel in die Wüste. Die tollen Backgroundstimmen von Fannan kleben wie Zucker am Cocktailglasrand. Mystisch geht es zu, fast sektengleich sitzen Sleepy Sun im Kreis und schauen sich für Minuten in die Augen, um dann die Verzerrer zu treten. Eine Wand tut sich auf, die nur mit Country und Folk eingerissen werden kann. Sleepy Sun überzeugen auch auf ihrem zweiten Longplayer. Dass dann ein Song „Acid Love“ heißt, verwundert nicht mehr. Cool!
Erschienen bei ATP/Indigo

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