Jeremy Jay – Splash

Der hagere Weltenbummler ist zurück und verteilt wieder Blumen. Jeremy Jay ist nun in Paris und in London heimisch. Los Angeles ist weit weg. Vielleicht sogar schon vergessen. Da kommt Neid auf. Seine Songs streifen immer noch den großen Glam-Pop und verlieren sich immer wieder gern in Gitarren-Hallräumen, wie es auch Pulp geliebt haben. Manchmal kommt der kleine Jarvis durch, doch Jeremy spielt nicht den Dandy. Er ist es irgendwie auch. Mit all der Peinlichkeit und Großspurigkeit eines Players, der aber jeden Abend alleine nach Haus geht, da er den Bogen überspannt hat, Witze falsch erzählt oder den Drink der Dame mit dem Ellenbogen von der Theke gepfeffert hat. Seine Stimme ist immer noch nur ein Entwurf. Es klingt immer noch so, als ob Jeremy erst bei den Aufnahmen angefangen hat, den Songs eine Singstimme zu verleihen. Oft jault er gegen Ende eines Songs einfach. Es scheint als wäre ihm der Text ausgegangen. So cool und abgewichst klang schon lange kein Ami mehr. Auch seine Gitarre ist immer noch auf der Suche nach einer neuen Wendung oder eines Anschlags. Mal wird das Griffbrett abgesucht, na das ist doch was brauchbares dabei, mal einfach der Zeigefinger nach oben  geschoben bis der richtige Ton am richtigen Fleck sitzt. Kleinode werden mit Uhhhs und Ahhhs verschönert oder einfach übertüncht.
Jeremy wartet zu Hause auf den Call des Girls aus seinen Tagträumen. Die Band rockt  wie eine Schülerband und lässt Jay immer den Vortritt. Jeremy entscheidet, ob nun die Disco besucht wird oder alle im heimischen Wohnzimmer auf neue Ideen warten und das kann dauern. Jeremy bleibt der Underdog, der unverstandene Prinz. Understatement ist sein Parfüm und er kippt sich einiges in den Nacken.
Jeremy Jay
Immer auf dem Weg in das Rock-Nirvana, ins Licht, um seine Unisex-Sonnenbrille mit Stolz zu tragen. Jeremy reist stilecht mit dem Bus und nimmt Tempo auf. Er sitzt immer hinter dem Fahrer und spielt das Navi nach. Mit durchlässiger Stimme poppt er sich den Weg über Rastplätze, durch schlechte Kaschemmen und Spelunken. Das Hemd sitzt, der Trenchcoat ist dreckig. Geduscht wird in Schwimmbädern, aber nur mit Badehose, es könnten ja Paparazzos aufschlagen.
Jeremy traut sich immer noch seinen Gesangsstil ohne Vorgaben zu nutzen. Das Überraschungsmoment ist auf seiner Seite. Die Songs schaukeln sich hoch und sitzen irgendwann in deinem Kopf. Jeremy macht glücklich, obwohl die Musik doch eher das Traurige in den Fokus stellt. Alles klingt leicht verstimmt, doch Jeremy bleibt unbekümmert und zieht die Geschichten durch.
Natürlich ist „Splash“ nur ein Mitbringsel, denn bald soll schon das nächste Album erscheinen. „Dream Diary“  wird es heißen und der Name ist schon auf „Splash“ Programm. Immer kurz vorm Weggössen, immer kurz im Traumland, immer mit den Girls im Clinch, immer kurz vor Wut und dem Befreiungsschlag. Mal klimpert es, mal rockt es, mal ist alles nur so hingerotzt. Wunderbar. Jeremy Jay bleibt der Künstler mit magischer Präsenz. Die Orgel schwebt, die Drums sind schön drauf und Jeremy ist der verlorene Sohn der 80iger und gibt den Burschen mit Komplexen. Ein wunderbarer Start in das Jeremy Jay-Jahr. Ich bleibe ihm treu und das solltest du auch. Freunde fürs Leben gibt es nicht so viele. Warum tut es dann nur so weh? Jeremy weiß es auch nicht, aber er sucht…
Erschienen bei K-Records

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