Das Saxophon fliegt mit Engelsflügeln über deine Kleinstadt. Dein feuchtgewordener Traum aus der Mittelstufe steht an der Theke und schlürft lässig KiBa. Der DJ ist aus der Parallelklasse und hat von Musik keine Ahnung. George Michael ist für ihn immer noch heterosexuell. Das Licht geht immer wieder an, da deine Lehrer kontrollieren wollen, ob noch alles im grünen Bereich ist. Alle fummeln in den Minuten dazwischen. Mädels tragen Sophie Marceau-Frisuren und die Jungs Lederkrawatten. Die Siebziger sind gerade erst rum, keiner hat mehr eine Gitarre im Kinderzimmer, alle wollen Keyboard lernen. Nur du bleibst dem stumpfen Rock treu und bist der Zausel der Schule. Beate findest du trotzdem süß. 10cc sind immer noch aktuell, auch heute. Auch Gayngs sind Fans und lieben schwülstigen, schwitzigen Klammer -Trash. 24 Köpfe sind an diesem Projekt beteiligt, doch alle haben nur dieselben Ideen.
Soul für Krankenkassen-Brillen. Das Schlafzimmer ist der Tatort und letzte Ruhestätte. Bodennebel lässt dich husten. Soul als Versuch, Liebesgut als Kommunikator. Der Pianohall zerzaust dir dein Haar. Balladen retten die Welt oder wenigstens dein Herz.
Alle Bands der 80er sind in deinen Blutbahnen. Wie auf Turkey taumelst du auf der Tanzfläche in züngelnde Paare. Aus Nostalgiegründen machst du das Peace-Zeichen. Auf einmal kommt NoWave um die Ecke und gibt dir John Zorn-Krach. Beate will gehen. Die Musik macht sie aggressiv. Du bettelst den DJ an, doch endlich was Anständiges zu spielen. Nun spielt er „Cry“ von Godley & Creme. Nur du erkennst am Tempo, dass es nicht das Original ist.
Gayngs pitchen alles runter. Die Stimmung ist unterkühlt und lodernd zugleich. Der Stress des ersten Dates, des ersten Kusses ist in jeder Note zu hören. Heul doch! Beate bleibt nun doch noch ein bisschen. Das Gitarrensolo hat sie wieder in deine Gegend gespült. Synthie-Pop für Stadtfeste, obwohl zwischendurch immer wieder blankes Unbehagen durch die Hüpfburg luschert. Alles wird zitiert, jeder Stöhner ergibt einen Effekt. Beate will nun endgültig gehen. Du baust dich vor ihr auf und spielst Luftgitarre. Sie lächelt. Du bist am Ziel. DJ Wolfgang lässt nun selbst die Hosen runter und legt Frankie Goes To Hollywood auf. Die Kraft der Liebe durchströmt deinen Body und Beate leckt dir den Bauchnabel. Dein Gemächt schlägt ihr ins Gesicht. Die Aufpasser-Lehrer machen das Licht an. Reinfall.
Erschienen bei Jagjaguwar