CocoRosie – Grey Oceans

Die Casady-Schwestern sind zurück. Richtig vermisst hatte man sie ja nicht. Nun geht der große Spuk weiter. Wenn Joanna Newsom dieses Jahr was Neues rausbringt, will man nicht hinten anstehen. Verständlich, denn der Ansatz der drei Künstlerinnen ist ähnlich. Verschrobenheit, Puppengesichtästhetik und die große Harfe sind die Hausmittelchen, die die Szenegrößen täglich inhalieren. Jeder angeklebte Bart und jedes Ballonröckchen sind „instyle“-tauglich. Wenn man nur die Stimmen hören würde, wäre ein Unterschied nicht auszumachen.
Natürlich haben CocoRosie mehr das Queere und Newsom die Feenhaftigkeit gefrühstückt, doch es verbindet sie die Mädchenwelt, die wie so oft in der Popmusik zur Märchenwelt umgestaltet wird. Das Porzellan glänzt in der Abendsonne und der neue Pianist und nun festes Mitglied Gael Rakotondrabe streichelt die Tasten. Wunderbar mischt sich das große Kopfkino mit der Tim Burton-Edward-Traurigkeit und der Kinderstimme kurz vor dem Bäuerchen. Miracoli ist fertig.
Die obskuren Kinderzimmer-Instrumente wurden in den Hobbykeller verbannt. CocoRosie wollen nun erwachsen sein und ziehen ohne Paniermehl in den Wald. Sie werden ab jetzt ohne Hilfsmittel zurück finden. Der Orient bringt den Teppich mit und ein Glockenspiel wird zum Erwachsenen-Instrument. Sierra und Bianca lieben diese dicken Beats des HipHop und nehmen ihnen die Hüfte und das Gold. So entschlackt groovt es sich leichter und man vergisst die Bikini-Girls, die einem sonst so vor dem Pool begegnen. Hier ist der Pool nur voller Laub und Stinkewasser.
Die beiden Weltenbummler nahmen in fünf verschiedenen Ländern auf, doch überall klingt ihr Folk gleich. Da hätte auch das heimische Wohnzimmer in Paris gereicht. Sie hätten nur das Fenster aufmachen müssen, um andere Kulturen zu hören und aufzusaugen. Immer wieder werden die Songs aufgeblasen, aber nicht mit der Luftpumpe, sondern altmodisch mit den eigenen Lippen. Doch trotzdem bleiben die Schwestern die Königinnen der Minimalistik. Auch wenn man hundert Instrumente zu hören scheint, spielen sie alle nur die zweite Geige und ordnen sich unter. Synthies bringen die Basis und elektronische Rhythmen die Aufgeräumtheit und immer wieder kommt das klassische Klavier zum Einsatz, um der Harfe den Boden zu ebnen. Kleine Bläser stolzieren durch Buenos Aires und verteilen selbst gemachte Empanadas.
CocoRosie
CocoRosie haben sich nun dem Spiegel gestellt. Keine Tücher verhüllen mehr ihre Songs. Keine billigen Mikros liegen mehr auf dem Küchenboden. „Grey Oceans“ ist klar strukturiert, jeder Ausbruch zu erwarten. Billie Holiday singt immer noch über das Geistertelefon mit und das Grammophon wackelt beim Einsatz der Pauke, doch trotzdem ist es ein amtliches Werk mit leider doch zu ähnlichen Songs. Die Anfänge sind oft nicht zu unterscheiden.
„Lemonade“ ist das süße Destillat, das dir im Sommer die Kehle verklebt. Und „Trinity’s Crying“ trumpft mit der Dramatik eines Kinderballetts. Die Angst vor dem Sturz wird mit Rave-Synthies kaschiert. In „Fairy Paradise“ trifft die Katze die Diva vor der Discotür und klingt wie Björk. CocoRosie sind nun angekommen, ob dort noch ein Bus fährt ist fraglich. Ein Album mit vielen Längen und zu vielen Falltüren. Die Filzpantoffeln sitzen wie ein zweiter Fuß, doch sie kratzen. Fans werden begeistert sein, Unbedarfte horchen auf und Traumdeuter werden abwinken. Also für jeden was dabei..
Erschienen bei Sub Pop

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