Nika Roza Danilova hängt in den Seilen. Und das von der Decke. Wie eine Fledermaus kopfüber mit blaugewordenen Armen. Jeder Bondage-Liebhaber nestelt nach der Ritsch-Ratsch-Kamera, um diese Pose für das Kopfkino festzuhalten. Doch Nika duldet keinen Blitz und so muss auf gut Glück aus der Hand geschossen werden. Natürlich bei absoluter Dunkelheit. Zola Jesus, das Projekt der 20-Jährigen birgt alte Weisheiten. Eine theatralische Stimme mit Düsterbeats und elegische Noise-Eskapaden sind immer noch was für Schwarzseher und Kerzenwachs-Schlürfer.
Doch Nika bündelt Tradition mit Avantgarde und verliert nicht den Blick für aktuelles Musikgeschehen.
Die Beats grollen und die Synthies schleifen den Holzfußboden ab. Über allem thront Nikas Trauergesang mit Hang zu Nico-Tiefe, der eine Kälte versprüht, die dir die Oberschenkel zittern lässt. Nach „The Spoils“ nun eine EP. „The Spoils“ quälte noch mit dissonanten Klangregieanweisungen. Ein dicker Nebel verstopfte die Poren und ließ nur Schlacke durch die Ritzen. Nikas Stimme war hinter der Synthie-Burg versteckt und druckste nur rum. Heute kann man sogar die Texte verstehen und das macht umso mehr Angst. Nika macht nun ernst und holt die Nacht aus der Schreibtischschublade.
Die Seile schneiden sich ins Fleisch. Die anwesenden Männer gieren nach Schmerzensbekundungen ihrerseits, doch Nika hält den Ton. Nach ihrem Mitwirken bei dem Xiu Xiu-Nebenprojekt „Former Ghosts“ nun wieder was in eigener Sache. Die Gothic-Fraktion wirft sich in Gummi und stolziert los, doch Zola Jesus holt sie nicht an der abgesprochenen Kreuzung ab, sondern lauert ihnen schon vorher auf und poliert ihnen die Fresse. Hier geht es nicht um einen Kleider-Code oder eine Dazugehörigkeit. Noch nicht mal um Abgrenzung. Nur die Macht der Dunkelheit und der Versuch, das Unverständliche verständlich zu machen, liegen in Lauerstellung. Jeder geschundene Körper lechzt nach inniger Berührung.
Die Nebelmaschinen hüsteln nach jedem Track. Die Nacht ist der schonungslose Begleiter und Industrial erhält ein weisses Taschentuch, um die Selbstaufgabe zu signalisieren. Zola Jesus haucht und poltert, schwebt und hat wohl nun die gesunde Mischung der Stile für sich entdeckt. Auch einige popwegweisende Anbiederungen passen ins Konzept.
Nika trällert und findet ihre Stimme in ihrer Brust. Das Blut tropft und die Männer keuchen. Sie können doch eigentlich gar nichts sehen. Gummi quietscht gedankenverloren. Erregung braucht Platz. Die Maschinen poltern und die Windmaschine steht auf Orkan. Die Samples der Noise-Wände rutschen auf Knien durch das Kellerloch und klingen trotzdem nach Kirche.
Einfache Melodien machen den Zugang auch nicht einfacher. Alles vibriert und klingelt. Deine Ohren bluten. Wo ist der Beat? Wer hat die Fernbedienung und wer holt Nika da runter? Zola Jesus überzeugt auf ganzer Linie und taucht dein kleines Leben in noch dunklere Töne. Filmmusik für deine letzte Beichte, wenn dir partout nicht einfallen will, was du Schlimmes in deinem Leben verzapft haben könntest. Eine Bondage-Party ist ja wohl nicht beichtwürdig.
Erschienen bei Sacred Bones