Ist ja wie in einer Waschküche hier! Ich sehe nichts, gar nichts. Ist da hinten die Eisdusche, die benutze ich immer, bevor ich mich ins Chlor bewege? Das sind doch Stimmen, oder? Lachende Mädchen! Ja, meine Gummi-Badekappe sieht schon lustig aus. Dachte schon ich wäre allein. Hätte ich ein wenig gruselig gefunden. Ich tauche ab ins kühle Nass. Die Drones schwingen sich mit ins Reich der Wasseraerobic und Bahnenzieher.
Die Zeit rauscht in die Tiefe, genauso mein Spindschlüssel. Ich fühle mich seit Tagen unorganisch. Nichts passt zueinander. Das Herz nicht zum Hirn. Der Kopf nicht zum Arsch. Die klatschnassen Streicher stehen am Pommes-Stand und salzen nach. Die erste Geige nimmt zu viel von der schmierigen Mayonnaise. Die berühmte Wasserballerina Salmonella betritt die Halle. Meine Taucherbrille beschlägt. Ich hätte vorher reinspucken sollen.
In den Abendstunden dimmen sie hier immer das Licht. Man fühlt sich noch mehr wie Aquaman. Richard Skelton ist ein Wald- und Wiesenmensch. Von öffentlichen Schwimmbädern hält er nicht viel. Einsame Bergseen sind sein Fetisch. Mit Waschbären wird im Duett geputzt, bis das Fell sauber ist.
Ich tauche nun tief unter dem Rentner-Club durch. Meine Luftblasen streicheln deren Füße. Skelton ist im Moos zuhause. Seine anschwehlenden Partituren locken die ersten Hexen an. Bei mir rutschen die die Spaßrutsche hinab. Hui!
Zwei Welten und trotzdem Gleichklang. Vier Jahre brauchte Skelton, um all die Sounds und Momente, die er in den Bergen und Tälern Nordenglands eingefangen hat, in die richtige Anordnung zu bringen. Jeder Fluss, jede Biegung, jeder Steinkopfadler bekommt seinen Auftritt. Eine Gitarre mit Pferdehaar bespannt erklingt unter dem verwunschenen Klippenvorsprung. Und der Fluss plätschert verloren durch das Dickicht.
Ich sitze im Wärmebecken und spiele mit meinen verschrumpelten Zehen. „Landings“ schlägt an. „Landings“ fordert und bettelt um Frieden. Düstere Landschaften ziehen in Schneckentempo vorbei. Das rohe Ei zum Frühstück stärkt die Muskulatur. Heute will Skelton draußen schlafen. Mit der Welt mal nackig sein und gleichzeitig behütet und beschützt. Ich wechsle in den Whirlpoolbereich. Meine Ohren sind schon so voll mit Wasser, ich höre nun gar nichts mehr. Die intimen Momente genießt Skelton in gewünschter Einsamkeit. Alter Indianer-Kopfschmuck hält die bösen Geister fern. Es sägt und kracht im Unterholz. Skelton ist der Ambient-Zauberer ohne rückendeckenden Zirkel. Er verrät alle Tricks. Ist doch lupenrein! „Fass mich an, ich bin echt!“, scheint er zu flüstern. Die Lichtung ist nicht weit entfernt, man sollte sich nur vor den Hyänen in Acht nehmen. Die „scharwenzeln“ überall rum. Skeltons Haut ist schneeweiß…
Ich werde von einem Nivea-Plastikball am Kopf getroffen, muss wohl eingeschlafen sein. Noch eine Runde, dann geht’s zum Abduschen. Beim Einschäumen denke ich über Avantgarde und Neue Musik nach. Skelton verspeist derweil seinen ersten Skorpion. Sein Bett aus Streichern ist sanft, hat aber auch Nachteile. Es schwingt so unglaublich lange nach, so dass er kein Auge zumachen kann. Armer Richard! Ich bin längst zuhause und wringe meine Badehose aus. Skelton macht es eigentlich richtig, vielleicht sollte ich mal für länger weggehen. Das mit den Hyänen kriege ich auch in den Griff. Wovor habe ich dann Angst?
Erschienen bei Type
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