Sind die in das Album als Reverse-Sample-Collage einführenden Stimmenschichtungen programmatisch gemeint? Und, wie chic ist es, sich seine musikalische Rückwärtsgewandtheit auf links gekrempelt als pralles Trend-Mäntelchen über zu werfen, um so selbstvergessen Downtown zu tänzeln?
Im Mittelpunkt des abendlichen Interesses Sehnsucht- und Süßstoff-Problematiken mit ein und dem selben Event zu kanalisieren, stehen die nur Stunden zuvor in unbekannten englischsprachigen Hochglanzmagazinen entdeckten Modestrecken. Ausgelegt strahlen diese neben den ebenso hochklassigen wie kilojoulereichen konditorischen Theken angesagter Tagescafés für junge Mütter mit sanftem Mut und weichen Schals.
Late Night: Laserkanonenbildnisse weisen den Weg über von Personenleitsystemen eingezäunte rote Teppich-Straßen. Prasselnder Bonbonregen verstellt den Blick auf das hervorgekuschelte blonde Discomonster aus den guten alten 70ern. War das früher wirklich so groß? Ein lässiger Funkgroove mit Gewichtsproblemen drängt alle Möchtegern-Paparazzi zurück hinter die Palmenkübel. Die Debütantin ist jetzt allein auf den Brettern und dreht selbstverliebt ihre Figuren. Synthie-Bässe und Reverse-Effekte haben die gleiche Funktion wie Silberschmuck und Tätowierungen. Fein gewirkte Stoffe, Seiden in allen milden Tönen der Saison, werden von einem chromblitzenden Standventilator im schicken Retrodesign seitlich angeblasen. Schade, dass wir das jetzt nicht in Zeitlupe sehen können. Immerhin ergibt sich so ein wunderbares Setup für die jederzeit unimprovisierte Tanzchoreografie vor einem bauchnabel-gepiercten Giogio-Moroder-Pappaufsteller.
Bläserarrangements grooven beängstigend zackig und wiederkäuen das, was sich seit 35 Jahren bewährt hat. Mit dieser Einstellung gewinnt man auf jedem Schützenfest neue Freunde. Schließlich kann man nichts falsch machen, wenn auch der Sohn des Försters die gleiche Zigarettenmarke raucht. Selbst vor bekanntesten Tanz-Denkmälern gibt es kein Halten. Sogar der Donna-Summer-Groove aus „I feel love“ wird durch den Edelproduzenten-Reißwolf gedreht. Hauptsache nach dem frechen Zitatenaufriss wird alles durch Effekte verbrämt und so nicht vorhandene musikalische Aktualität suggeriert.
Real Life Is No Cool funktioniert halbwegs nach dem 9. Aperol in der Gesellschaft fremder Menschen. Doch an jedem Tag danach wird es peinlich sein, auf diese Platte angesprochen zu werden, immer.
Real Life Is No Cool ist bei Smalltown Supersound erschienen und hier kann man reinhören.