Der weinende Bartträger aus „Shortbus“ legt nun sein zweites Album vor. Der Titel lässt einen schon mit offenem Munde zurück. „There is an ocean that divides – and with my longing i can charge it – with a voltage thats so violent – to cross it could mean death.“
Puh Weltrekord! Der Australier, der seit zwölf Jahren in New York lebt, und dort die Folkmomente intimisiert, legt uns nun ein pianolastiges Monster in die Ohren. Natürlich glitzert die Schönheit ständig durch. Wir leiden mit dir, Scott!
„The devil taught me alibis“
Gastmusiker wie Kevin Devine und Marisol Limon Martinez veredeln diese traurigen Tunes mit ihrer Präsenz. Nach jedem einzelnen Song pustet man kurz durch und hofft auf Sonnenschein. Doch Matthew wispert und flennt sich durch alle Stücke. Es wird Zeit den Kajal rauszuholen und die Rasierklingen zu entsorgen. Erstens um sich nicht zu ritzen, und zweitens um das mit dem Rasieren zu lassen. Schönheit kommt von Innen!
Hair Peace!
Monat: April 2009
Not Available: The Crystals – Let's Dance The Screw
In „Not Available“ stellt Daniel Decker Platten vor, die es nicht gibt. Diese Platten sind nicht erfunden. Es sind Mythen der Popkultur und der gute Mann recherchiert und geht ihnen auf den Grund. Manchmal belässt er es aber dabei, den Mythos Mythos sein zu lassen. Legenden sind oft schöner.
Kunst und Kommerz, das ist wie eine Ehe ohne Möglichkeit zur Scheidung. Und Scheidungen können dann recht teuer werden. Anfang der 60er verklagte sein ehemaliger Partner Lester Still den Wall-Of-Sound Meister Phil Spector (derzeit eher als mutmaßlicher Mörder mit Hang zu exzentrischen Frisuren bekannt). 61 gründeten die beiden Philles Records und landeten mit diversen Singles enorme Erfolge, die vor allem den Produktionskünsten Spectors zuzuschreiben waren. Der dachte sich dann, dass er die Einnahmen doch nicht mehr durch zwei teilen müsse. Nachdem Lester Still die Erfolgswelle von Spector unterbrach indem er selbst produzierte Singles veröffentlichte, die nicht charteten, war für Spector klar, dass es so nicht weitergehen kann. Spector arbeitete immer mehr für sich allein, ohne sich mit Still abzusprechen. Letzendlich verkaufte Still Spector dann seinen Anteil am Label für 60 000 Dollar. Doch Spector wollte Still nicht auszahlen und hielt Einnahmen des Labels, die beiden zustanden, zurück.
Die Sache kam vor Gericht und die Legende will es, dass Spector Still nicht nur auszahlen, sondern ihm auch die Tantiemen für die nächste Single der Crystals, einer der Philles Bestseller, versprechen musste. Und hier geht es dann um die Platte, die es nicht gibt. Natürlich ging Spector 1963 mit den Crystals ins Studio und er nahm auch einen Song auf.
Allein der Titel „Let’s Dance The Screw“ macht deutlich um was es Spector ging. So heißt „Screw“ auch jemanden abzocken.
Musikalisch war der Song eher simpel für Spectors Verhältnisse, doch die Botschaft konnte man nicht missverstehen. Auch Lester Still nicht, der direkt ein Promotion-Exemplar zugeschickt bekam. Dennoch wurde die Platte nie veröffentlicht.
Das spricht vor allem dafür, dass es sich bei der Geschichte mit den Tantiemen um eine Legende handelt, die um den musikalischen Racheakt Spectors gesponnen wurde. Wäre es um diese gegangen hätte Spector zumindest eine kleine Auflage in den Handel geben müssen. So ging es nur darum Still noch einmal ein „Fuck You“ entgegen zu schmettern und der kann eigentlich froh sein, dass Spectors Waffe damals noch die Musik war.
Bob Dylan – Together through life
Durch wie viele Leben ist Bob Dylan schon gewandert? „Bob Dylan – Together through life“ weiterlesen
Geräusch des Erstaunens
Geräusch 001
Das Jahr 2008 mit Daniel Decker
Daniel Decker kauft kaum CDs, er kauft ein wenig mehr Vinyl und erst recht keine MP3s, die er sich nicht mal illegal besorgt. Komischer Kauz dieser Dreh. Das fand er 2008 geil:
Gustav – Verlass die Stadt (Album / Chicks On Speed Records) *
Vampire Weekend – Vampire Weekend (Album / XL)
Portishead – 3 (Album / Island)
Prinz Pi – Neopunk (Album / No Peanuts) *
Weezer – Weezer (Red Album) (Album / Geffen) *
Max Müller – Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war (Album / Angelika Köhlermann)
* Auf Vinyl, was insbesondere bei der Weezer wichtig ist, da auf der CD-Version unnötiges Bonus-Material die Größe der Platte unkenntlich zeichnet.
Klinsi – Tränen im Knopfloch
Fängt man vorne oder hinten an? Der Feng-Shui-Meister ist raus! Tut das irgend jemandem weh?
Vielleicht!
Der deutsche Fußball verliert eine schillernde Kunstfigur. Eigentlich den Konny Reimann des Rasensports, den Heimkehrer ohne festen Wohnsitz. Den Schwabenbäcker und Spusi Löws, der die Kickerwelt mit all seinen Nonsensauftritten bereichert hat. Sein Antifußball wird in die Bayerngeschichte eingehen.
Gegen Barcelona halfen die Räucherstäbchen nicht und gegen Wolfsburg kein Torwart. Doch hat er nicht einfach seinen Job gemacht? Jeden verfickten Tag einen Spieler schneller (Lell), schöner (Demichelis) und kantiger (van Bommel)? Die Lust am Erfolg ausgebremst? Weg von Titeln und Schalen?
Klinsi, der Pink-Punk der Liga! Spaß am Ball zu haben und unter der Dusche das prickeligste Duschgel aus der Tasche zu zaubern. Mehr konnte man doch nicht erwarten. Ich werde ihn vermissen. All die Interviews und Klangcollagen. All das Bubu und Huhu! All das über Außen und durch die Mitte.
Man hat oft die Lust verloren, wenn nicht auch er. Doch ist er der Buhmann? Der Kaiser und all die anderen Exbaracken versuchen zu verschleiern. Klinsmann ist der Erneuerer der Fußballphilo. Er hat verstanden, dass Dinge Zeit brauchen. Die Letzten werden die Ersten sein. Platz 3 ist besser als Platz 4. Toni ist besser als Podolski. Bayern ist besser als Fortuna. Klinsi hat begriffen, dass Deutschland nicht sein Land ist. Und die Bundesliga nicht seine Liga. See u Klinsi, perhaps with the Blau Blau Brause or any other funny Team. Beim gemeinsamen Duschen würd ich gern nochmal ’ne Viererkette nachstellen. Jetzt ist hinten vorne.
My Drug Hell – My Drug Hell 2
Als Tim vor nun mehr als 12 Jahren seine Großmutter verlor, vermachte diese ihm 2500 £. Das Geld steckte er in die Veröffentlichung der ersten My Drug Hell. „Girl At The Bus Stop“ schaffte es bis auf MTV. Tim überlebte die Drogenhölle der kommenden Jahre. Psychedelic war immerhin eine Musik, die mich nicht vollkommen ankotzte.
Das spürte Tim.
„Don’t Fall In Love“ singt er nun, weil er es auch nicht einfach hat. Warum Erwartungen nicht zerstreuen, nur weil man aus London kommt und Mullets trägt?
Keine Frage, das ist Psychedelic-Pop, absolut zurückgeblieben. Auch mein Lieblingssong „Maybe We Could Fly“ war schon auf der anderen Platte.
Aber ich mag Tim. Der einzige ohne Mullet. Seine wilden Locken wachsen aus seinem Kopf, als würden sie schreien: „Something’s Not Quite Right!“ „For all the books I have read, I’ll never know what goes on in your head“. Auch ein Lovesong dieses „Mysteries Of Love“.
Tim hadert. Scheiß Drogenhölle.
Tolle My Drug Hell Platte.
Gregory Taylor – Amalgam:Aluminium/Hydrogen
Kann man einen künstlichen Diamanten von einem natürlichen unterscheiden? Kann der menschliche Hörsinn regenerieren? Was war eigentlich noch mal Granularsynthese? Wann schmilzt Aluminium? Sollten wir wieder mehr Zwieback essen? Wie werden wir Winfrid Trenkler? Was hat Gamelan mit Glitch zu tun? Bekommen wir auf all diese Fragen Antwort von Gregory Taylor? Ja, so ziemlich.
Doch Vorsicht! Nur scheinbar haben wir es bei seinem Erstling mit Ambient-Gefälligkeiten zu tun. Tatsächlich werden die zentralen Ebenen der Komposition geschickt mit einander verwoben. Klangfarben und rhythmische Strukturen entwickeln sich anscheinend selbst ihren eigenen Kompositionsalgorhythmus, in Echtzeit.
Nichts ist hier beiläufig, nichts nur so dahin gespielt. Mutationen changierender Klangwolken entwickeln sich um ihrer selbst Willen, jedoch nicht, um Atmosphäre zu heischen. Sie haben Zeit. Zeit sich gegen und durcheinander zu reiben, sich weiter zu treiben – in aller Langsamkeit – zu verdrehen und ineinander zu fräsen, um dann wieder auseinander und gegeneinander zu laufen. Aber immer nur minimal. Und nur für eine Weile, für ein paar Takte. Welche Takte? Keine Takte. Auf einer Welle vielleicht. Die eine, die besondere, die mit sich selbst spielt. Als „Game of Life“ der Klänge mäandert sie weiter, als organische Kompositionsmaschine aus Pangäa.
Das Album „Amalgam: Aluminium/Hydrogen“ von Gregory Taylor ist 2007 bei Palace of Lights erschienen.
Pet Shop Boys – Yes
Alle Jahre wieder veröffentlichen die Pet Shop Boys ein neues Album. „Yes“ heißt es nun und besticht erneut durch Melodien für Millionen.
Artwork und Produktion sind hervorzuheben, aber das kennt man von Tennant und Lowe zu genüge. Johnny Marr greift zwischenzeitlich in die Saiten und Owen Pallett lässt die Streicher streichen.
Und die Songs? Auch hier ist auf die beiden Verlass. Große Hits, etliche singlekompatible Perlen, kühle Lovesongs und natürlich heimliche Nicht-Hits, die vielleicht erst in ein paar Jahren zu Klassikern heranwachsen. Auch textlich bleibt Tennant auf der Höhe der Zeit. Der vielleicht neben Morrissey und Stephin Merritt beste Texter dieses Universums erzählt Zwischenmenschliches sowie Gesellschaftrelevantes in traumhaften Reimen. Zum Darniederknien!
„Beautiful people“, „All over the world“ und das Monument „Building a wall“ stechen heraus. Alle popaffinen Stehtänzer dieser Welt, zu denen auch ich mich zähle, verneigen sich vor diesen beiden Herren.
Tennants Stimme scheint nicht zu altern. Auf die nächsten zwanzig Jahre! So lange es die Pet Shop Boys gibt bleibt Popmusik das ganz heiße Ding.