Grant Hart fährt sich mit der Hand durch das verfilzte Haar. Seine Drumsticks liegen in seinem Proberaum in einer alten Squash-Tasche in der hintersten Ecke. Auch seine Fußmaschine und die ollen Becken sind dort verstaut. Seine Gitarre hat mehr als ein F-Loch. Der SST-Schriftzug ist längst abgefahren. Doch Songs schreibt er immer noch und die möchte er auch unter die Leute bringen. Das „Wie“ ist egal. Das „Was“ ist viel wichtiger.
Zehn Jahre liegt seine letzte Veröffentlichung nun zurück. „Hot Wax“ lässt Harts schöne Schrei-Soul-Stimme aufheulen. Die Orgel unterstützt den Ausflug in die Vergangenheit mit vollem Tasteneinsatz. Taschentuchblitzer und Bubblegum-Automaten erledigen den Rest. Musiker des Constellation-Labels helfen Hart ein Gewand zu nähen, dass mit Blumen und Liebe bedruckt ist. Vergessen sind die Kracheskapaden der Hüsker Dü-Zeiten. Vieles ist vergessen. Die Drogenzeit und der Kultstatus.
Heute pflegt Hart das süßliche Glockenspiel, verbunden mit angezerrten Gitarren und Singalong-Melodien. Die Beatles schauen auch des Öfteren in der Wohnküche vorbei und schnüffeln Klebstoff aus Plastiktüten. Hart bemüht sich wild und unwiderstehlich zu klingen. Ein kleiner Junge mit Lolli im Mund. Das Polaroid wird mit Luft bewedelt und der Braunton als Gegeben hingenommen.
Seinen Charme hat Hart nicht verloren. Auch eine leicht verstimmte Gitarre bringt ihn nicht aus dem Konzept. Mietschulden erst recht nicht. Sein Vibrato sitzt vergnügt in der Beach Boys- Sonne und trinkt Bud-Light. Melodien standen bei Hart schon immer im Vordergrund. Sein Pop-Verständnis hatte Hüsker Dü damals wohl den Weg in den Klassikerstatus bereitet. Und vielleicht auch das Ende forciert. Traurige Liebesschnulzen schweben an Hippie-Wölkchen vorbei. Der geliehene Cadillac hat Schrammen und rostige Stellen.
„Unmodern“ und „hinterwäldlerisch“ fallen den Poser-Kritikern als Headlines ein. Von Schönheit oder Wehmut ist nicht die Rede. Stümper! Ein kräftiger Händedruck könnte helfen, doch Grant Hart scheisst auf Mitleid und torkelt wie ein angezählter Boxer durch das Indie-Hinterland. Seine Labelwahl zeigt auch, dass er nicht mehr die große Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Kleiner geht wohl nicht. Europa wird ganz außen vor gelassen.
Grant Hart läuft barfuß über dreckige Scherben, ohne Angst vor Infektionen. Schicksalsschläge haben ihn unantastbar und immun gemacht. Lieber LoFi den Berg runtertrudeln, als mit Highspeed-Booten über californische Gewässer brettern. Das Herz der 60er und die Narben der 80er lassen Hart weiter musizieren. Man kann fast praktizieren sagen. Ein Ritter der traurigen Gestalt, doch aus Leidenschaft. So viel Liebe steckt in diesem Häufchen Elend und Amor fährt mit dem Quad zu den Deppen. So ist das Leben. Falls ihr Hart am Wegesrand seht, nehmt ihn mit oder gebt ihm ein Küsschen. Er hat es verdient.
Erschienen bei MDV Audio