Klassiker: Steely Dan – Pretzel Logic

Tontechniker bevorzugen Steely Dan-Platten, um beim Soundcheck die Halle auszuloten. Klingt die abzumischende Band nur annähernd so clean und höhenlastig, geht der Daumen des Tüftlers in die Luft. Ein zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht. Steely Dan sind die Mucker, die man als Schüler-Band verabscheut. Alles liegt am richtigen Platz, kein Tönchen verirrt sich auf der Tastatur des Glücks. Jedes Solo birgt klare Antworten und nachvollziehbare Wichsvorlagen.
Donald Fagen gibt den verliebten oder verstoßenen Hampelmann. Dürfen Schüler-Bands „Jazz Pop“ dazu sagen?
1974 waren lange Haare bei Männern noch ein Ausbruch aus der Konvention. Die Jungs liebten ihre Mähnen und Fagen, der Tiger, trug gerne eine Lederjacke und torkelte autistisch durch überfüllte Tanzlokale. Immer auf der Suche nach Girls, denen er ein Kärtchen mit seiner Nummer in den Ausschnitt stecken konnte.
Walter Becker trug getönte Brillen und hielt seine Gitarre oder Bass stets steif in der Hand. Bloß keine Fehler machen. Die Muckermafia ist anwesend. Für die Show musste Fagen den Zauberer mimen.
„Pretzel Logic“ enthält alles was Steely Dan bis heute ausmacht. Wunderbare Akkordfolgen, tolle Chöre, die Fagens Stimme optimal unterstützen und Gänsehaut produzieren. Überspitze Soli.
Alle Instrumente spielen auf den Punkt, perlen und schimmern in goldenem Licht. In „Monkey In Your Soul“ blasen sich die Bläser ins Nirwana. Der Blues wartet an der Hintertür.
„Rikki Don’t Lose That Number“ und „Any Major Dude Will Tell You“ sind die Vorzeigehits. Doch Kleinode wie „Barrytown“ oder „Parker’s Band“ machen „Pretzel Logic“ zum Klassiker. In nur 34 Minuten schaffen es Steely Dan uns Hörer in ihren Bann zu ziehen. Locker und leicht trippelt das Album, mit flauschigen Puschen, in unsere Seele. Bei jedem Solo spielt man Luftgitarre oder imaginäres Fender Rhodes.
Mucker gibt es wie Sand am Meer, doch Steely Dan sind der feinste Sand an einer windgeschützten Küste. Selbst das Duke Ellington-Cover „East St.Louis Toodle-Oo“ lässt keinen Zweifel, dass Altherren-Kränzchen auch noch in zehn Jahren über Steely Dan fachsimpeln werden.
Welches Album ist das Beste? „Pretzel Logic“ wird immer meine Antwort sein.
„Leave Me Or I’ll Be Just Like The Others You Will Meet.“
Keine Angst, Fagen ist nur ein Blender mit lustigen Zähnen und ich lass mich gerne blenden. Es gibt ja Sonnenbrillen…
Erschienen bei MCA/Universal
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