Zu allen Zeiten gab es die Charaden und damit verbundenen Legendenbildungen um künstlerische Identität, z.B. bei The Residents oder Klaatu, jüngst bei Burial und einst auch bei Zoviet France. Die Namen der Protagonisten blieben unbekannt, über kurz oder lang. Wenn ich heute Wikipedia zur Diskografie von Zoviet France befrage, werde ich im Rundum-Sorglos-Paket auch mit den Namen sämtlicher Bandmitglieder ihrer Geschichte behelligt – wie uncharmant. Manche Geheimnisse möchte man einfach erhalten wissen.
Als ich 1985 bei John Peel zum ersten Mal einen Track von „Mohnomishe“ hörte war das Album zwei Jahre alt und ich mehr als irritiert. Gut, Peel spielte ja fast alles, aber annähernd Verwandtes hatte ich zuvor weder bei ihm noch anderswo gehört. Das war so abseitig, dass es selbst den Industrial jener Tage sehr alt aussehen ließ. Die Frage nach der Stärke eines Klangs wurde plötzlich zweitrangig.
Dunkle verschwommene Loops, Brummen, Dröhnen, ein Summen aus alter Zeit. Mit ausdrucksstarken Echos belegte Geräusch-Partikel, die wie unerhörte Schreie in Zähem verhallen. Fahle Texturen auf ewig. Permafrost. Das ist die eine Seite.
Hinzu kommen Anleihen bei der Musik von Naturvölkern ohne jede exotische Attitüde und die Einspielungen von verlangsamten Lautsphären. Die Rhythmik bezieht sich in vielerlei Schattierungen auf afrikanische Musik. Die dürre Tonalität ist eher asiatischer Herkunft. Harmonische Konstruktionen bleiben weitgehend bedeutungslos. Entschleunigung. Tribal-Industrial.
Leergefegte windige Instrumental-Landschaften, Minimalistisch pulsiert es dumpf auf allen Fluren, plötzlich ein Grummeln, spricht da wer? Hier und da ein Klappern, das von windigen Echos sofort wieder verweht wird. Tundra. Asiatische Tundra. North by northeast. Meditation statt Hypnose. Halt, ist das eine Flöte, oder sind das nur abenteuerlich verstimmte Feedbacks aus der Schublade „Unbekannt“?
Den Ursprung des Klangs, man erkennt ihn fast nie. Eine der charakteristischen Schnittmengen des Zoviet France’schen Oevres ist die Tatsache, dass das klangliche Repertoire ohne Absender bleibt. Die Herkunft der stark bearbeiteten Klänge ist spekulativ. Alles wabert in Diffusion, alles ermattet verbrämt. Insofern scheint in der Rückschau das damalige Verschweigen der Künstleridentitäten hinter Zoviet France nur konsequent.
Mohnomishe ist 1983 bei Red Rhino Records erschienen.
Vielen Dank für die schöne Review, die ich jetzt erst entdecke! Wohl kaum eine Platte hat mich stärker beeinflusst als die MOHNOMISHE doLP von Zoviet France, für mich sowas wie ein „Jahrhundertwerk“!
Unerwähnt bleibt in der Rezension die handgemachte Artwork, die ebenfalls fremdartig & einmalig war zu damaligen Zeiten. Leider können die alten ZF-Alben z.Zt. nicht auf CD re-released werden wg. Streitigkeiten der (ex) Mitglieder, hoffe das wird sich mal ändern.
dronige Grüsse !