Wilco – Wilco (The Album)

Wie eine alte fusselige Wolldecke kommt das neue Wilco-Album daher. Warm und leicht kratzig auf der Haut. Doch nach all den Jahren ist dieses Gefühl so angenehm vertraut, dass man sich gerne mit ihr schmückt. Jeff Tweedy schreibt immer noch tolle Songs. Warum sollte sich das auch geändert haben? Nach den epischen Platten „A Ghost Is Born“ und „Sky Blue Sky“ wirkt Wilco (The Album) recht entschlackt. Puristisch ist das falsche Wort, denn überall klingen Instrumente nach und füllen in wunderbarem Zusammenspiel jede noch so kleine Lücke. Zaubergitarrist Neels Cline hält sich angenehm zurück. 44 Effektgeräte tritt er dabei aber trotzdem immer noch.
Nur „Bull Black Nova“ übersteigt die Fünfminutengrenze. Wo früher gern mal herumexperimentiert wurde versuchen die Männer aus Chicago es nun mit klaren Songaufteilungen und schmissigen Folkpopliedern. Das Reduzierte steht ihnen gut zu Gesicht. Jeff Tweedy, der früher immer nur nach innen lächelte und seine Panikattacken mit Tabletten bekämpfte, singt mit einer brüchigen und doch so erhabenen Stimme. Wunderbar weich zelebriert er sein Folk- und Countryverständnis, mit der stets allgegenwärtigen Popaffinität.
Die niedliche Ballade „You And I“ umarmt uns mit lockerer Spiritualität. Leslie Feist übernimmt den weiblichen Part. Sie sollte nur noch Duette und Backgroundaufgaben übernehmen. Zum Veredeln ist sie geboren. Ihre eigenen Platten langweilen ja sogar Starbuckskaffetassenbesitzer. Hier zeigt sie ihr Können und macht „You And I“ zur Liebesschmalzsommeredition.
Wilco erschaffen wieder ein Meisterwerk. Wer hätte das je bezweifelt? Melancholie und Leichtigkeit schütteln sich kurz die Hände, um dann schnellstens wieder in die Holztruhe zurückzukriechen. Der nächste Einsatz wartet im darauffolgenden Stück. Geschmackvoll verzieren große Momente kleine Blaupausen. Wilco sind auf ihrem Höhepunkt. Eine Platte für verliebte Männer und für Frauen, die auf verliebte Männer abfahren. Ich bin verliebt…
Erschienen bei Nonesuch/Warner

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